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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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war an allem schuld und für alles verantwortlich. Doch Joan war nicht in der Lage, sich zu rächen. Er konnte ihn nicht umbringen, als er die Gelegenheit dazu hatte, es straflos zu tun. Ganz im Gegenteil, er hatte ihm geholfen und ihm das Leben gerettet. Er dachte sogar, er würde das Gleiche wieder tun, wenn sich die Situation wiederholen würde.
    Lange glaubte er, er habe seinem Vater gegenüber versagt, als er Vilamarí nicht tötete. Doch dann schrieb er in sein Buch: »Die Liebe hat über die Rache gesiegt.« Denn nun verstand er, dass er unbewusst einen Pakt mit dem Admiral geschlossen hatte, als er dessen Leben schonte und ihn im Kampf beschützte. »Weil ich Vilamarí das Leben gerettet habe, hat er mir die Freiheit geschenkt, und ich konnte meine Familie befreien«, setzte er hinzu.
    Trotz der stürmischen See saß Joan am Bug des Schiffs und schrieb, vor den anbrandenden, schäumenden Wellen des herbstlichen Mittelmeers geschützt. Der Abend kam, und auf einmal, an einem Tag mit bleiernen und bedrohlichen Wolken, öffnete sich ein heller Fleck am Horizont, und die Sonnenstrahlen beleuchteten kurze Zeit das Schiff. Joan genoss den Meeresgeruch und sagte sich, dies sei ein Zeichen. Sein Vater hatte seine Worte erhalten und sein Verhalten gutgeheißen.
     
     
    Selbst wenn Joan mit seinen Neffen spielte oder sich mit seiner Mutter, seiner Schwester und Niccolò unterhielt, konnte er Vilamarí nicht aus seinen Gedanken verbannen. Der Admiral war nicht viel besser als der Sklavenhändler Simone. Aber Joan wusste, dass er für den einen niemals das Gleiche wie für den anderen empfinden könnte.
    Joan war es egal, ob Simone oder sein Sohn an ihren Verletzungen sterben würden. Sie waren Ungeziefer. Was unterschied sie von Vilamarí? Vielleicht, dass sie Mädchen geschändet hatten, dass sie es genossen, wenn sie ihre Opfer leiden ließen, dass sie sich die Hände mit Blut besudelt hatten?
    Der Admiral tat selbst nichts Derartiges, doch er schickte seine Männer los, um zu rauben, notfalls zu töten und Unschuldige zu versklaven. Er erlaubte Vergewaltigungen, sofern seine Regeln und seine Ordnung eingehalten wurden. Seine ungerechte Gerechtigkeit. War das nicht sogar schlimmer als das, was Simone tat?
    Vilamarí blieb auf dem Kampanjedeck seiner Galeere, wo ihn Musiker unterhielten, ihm ein Schreiber Gedichte vortrug und ihn ein Parfümeur vor dem Gestank bewahrte, den das mit Ketten an seine Bänke gefesselte Rudervolk verströmte. Währenddessen wurden Unschuldige von seinen Männern getötet, verschleppt und misshandelt. Er war viel eleganter als Simone, aber schlimmer, weil er andere zwang, seine Verbrechen auszuführen.
    Joan dachte, dass er den Admiral mit anderen Augen sah, liege vielleicht daran, dass er adlig war, teure Kleidung trug, gebildete Gespräche über Bücher führte und eine große Macht ausübte.
    Vilamarí war ein Löwe, und er genoss nicht das Töten, er tat es, damit er selbst und seine Leute überlebten. Er war ein Pirat, aber er hielt seinen Männern und seinem König die Treue. Joan erinnerte sich an die Bewunderung, mit der Genís, als er noch Steuermann der
Santa Eulalia
war, über ihn sprach. Von seinen Ruhmestaten gegen die Türken und dass er seine Leute nie im Stich ließ. Der Admiral überlebte so, wie er das Überleben verstand. An der Spitze einer Flotte und im Dienst des Königs.
    Und welche Rolle spielte der König? Wenn Vilamarí vom Monarchen bezahlt wurde oder seinen Sold verdiente, indem er für Neapel oder den Vatikan kämpfte, überfiel er keine Dörfer. Auch nicht, wenn er sich auf das Kriegsgesetz berief und feindliche Schiffe kaperte. In diesem Fall teilte er die Beute gewissenhaft mit seinem Herrscher.
    König Ferdinand  II . von Aragonien kannte Vilamarí sehr genau. Er wusste, dass er ein Löwe war, und wenn wenig Geld vorhanden war, entzog er es ihm und gab es anderen. Genauso, wie die römischen Kaiser handelten, was Abdalá ihm erzählt hatte. Sie ließen die Löwen im Zirkus hungern, damit sie die Christen verschlangen, denn sie töteten ja nicht, wenn sie satt waren. Der König wusste, dass Vilamarí überleben würde und auf die nächste Schlacht vorbereitet wäre. Das war seine Natur. Und der Herrscher kümmerte sich nicht darum, was der Admiral tat, vorausgesetzt, niemand erhob Einspruch.
    Ob der Monarch wirklich der Gesandte Gottes war, der Granada und Jerusalem für die Christenheit erobern sollte? Viele glaubten das. Vielleicht glaubte es der König

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