Am Horizont die Freiheit
sollten selbst den Garten bestellen. Das hat der Subprior übelgenommen, und er hat den Prior aufgefordert, doch selbst im Garten zu arbeiten. Sie haben sich schrecklich gestritten. Und so haben sie schließlich meinen Bruder und mich zur Arbeit in den Garten geschickt.«
Bartomeu lachte wieder. »Bei der Verwaltung ist es das Gleiche: Der Prior hält so etwas nicht für eine würdige Angelegenheit, doch mir gefällt sie.«
»Der Subprior sagt, es gebe drei Arten von Leuten. Die Krieger und Adligen, deren Arbeit darin bestehe, dem Volk bewaffneten Schutz zu gewähren; danach die Geistlichen, deren Auftrag es sei, zu Gott zu beten; und dann die Übrigen, die den Boden bestellen müssen. Was tut Ihr denn dann, wenn Ihr nicht den Boden bestellt?«
»Nun ja, nun ja. Das ist ein altmodisches Weltbild. So war es früher, als sich die Dinge ganz einfach verhielten. Krieger für den Kampf, Geistliche für das Gebet und Bauern, um die Übrigen mit Essen zu versorgen. Jetzt ist es komplizierter. Selbst die reichen Bauern kaufen Adelstitel vom König und überlassen es anderen, den Boden zu bestellen. Unterdessen kämpfen die armen leibeigenen Bauern für ihre Freiheit, und nicht nur gegen die Adligen, sondern auch gegen die reichen Bauern, die nach einem Adelstitel streben und sie unterjochen. Wir Handwerker und Kaufleute sind andere Klassen. Es hat uns immer schon gegeben, aber heute sind wir viel wichtiger, und es wird der Tag kommen, an dem wir es den Adligen zeigen.
Du musst dich gut benehmen und alle Arbeiten gewissenhaft erledigen. In weniger als zwei Jahren bist du Lehrling, danach Geselle, und wenn du erst Meister bist, wirst du schöne Bücher herstellen. Falls du eines Tages deine eigene Buchhandlung hast, bist du nicht nur Handwerker, sondern auch Kaufmann.«
»Und mein Vater, der Fische gefangen hat, was war er?«
»Er war ein freier Mann. Er hatte sein eigenes Boot und brauchte Kenntnisse und Techniken. Das ist ein Handwerk.«
»Und werde ich lesen lernen?«, fragte Joan hoffnungsvoll.
Bartomeu schwieg und blieb stehen. Er blickte dem Jungen in die Augen und sagte dann: »Nein, das kannst du nicht. Wenigstens vorläufig nicht.«
»Aber wie soll ich Buchhändler werden, ohne dass ich lesen kann?«
»Das Hauptgeschäft des Buchhändlers Corró und der anderen in diesem Handwerk besteht darin, die leeren Bogen Papier oder Pergament zu binden und ihnen Deckel zu geben, die manchmal sehr prachtvoll sind. Der Verkauf von leeren Büchern, Federn, Tinte und sonstigen Schreibutensilien hat sich trotz der Pestilenzen und Kriege gut gehalten. Die Priester brauchen solche Bücher, um Todesfälle, Hochzeiten und Taufen einzutragen. Man benötigt sie für Testamente, Prozesse, für die Rechnungen der Geschäfte oder die Akten der Städte. Du musst nicht lesen können, um leere Bücher einzubinden.«
»Um ein richtiger Buchhändler zu werden wohl aber schon«, beharrte Joan eigensinnig. »Ich will lesen lernen.«
»Pass auf. Um mit geschriebenen Büchern zu handeln, musst du nicht nur lesen können, sondern auch gesprochenes und geschriebenes Latein beherrschen und einige Kenntnisse der Klassiker haben. Ich glaube nicht, dass du so etwas jemals erreichen kannst.«
Joan blickte ihn enttäuscht an. Er erinnerte sich an das prachtvolle Buch, das in der Buchhandlung der Calle Especiers ausgestellt war, und an die schönen Buchstaben, die für ihn geheimnisvolle, unverständliche Zeichen waren. Er wollte die geheimen Welten kennenlernen, die die Bücher auf ihren Seiten verbargen.
»Ich will aber!«
»Nein!«, entgegnete Bartomeu sehr ernst. »Sprich nie wieder davon! Du wirst nicht lesen lernen, hörst du?«
Er legte ihm eine Hand auf die Schulter und schüttelte ihn.
»Hast du gehört?«
Der Junge hatte noch nie erlebt, dass Bartomeu derart ärgerlich und herrisch geworden war. Dieser neue Zug an ihm überraschte ihn, und der grimmige Blick des Mannes, den er zuvor für seinen Freund gehalten hatte, tat ihm weh.
»Hast du gehört?«, fragte Bartomeu noch einmal.
»Ja, aber ich verstehe nicht …«
»Gehorche, Joan! Du musst lernen zu gehorchen, und wenn du das nicht verstehst, bringe ich dich auf der Stelle in den Klostergarten zurück. Hast du verstanden?«
Der Junge wandte den Blick von Bartomeus Augen ab, die sich in seine bohrten, und senkte den Kopf. Ihn schmerzte der drohende Ton des anderen, doch vor allem fürchtete er, dass Bartomeu ihn und Gabriel im Stich ließ. Das durfte er nicht zulassen.
»Ja.
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