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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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ihm einen Klaps und sagte: »Ich glaube, Lluís hat sie,
remensa

    Der Junge ertrug die Beleidigung und lief zu Lluís. Dieser sagte, wahrscheinlich sei sie bei Jaume, und Jaume erklärte, dass der Maure Abdalá sie mitgenommen habe.
    Als Joan, der das Herumlaufen satt hatte, mit dieser Auskunft zum Meister zurückkam, machte der ein ärgerliches Gesicht und rief: »Der verdammte Maure! Wieder hat er sie uns weggenommen, ohne dass wir es merken! Du musst hochgehen und sie holen, aber die Herrschaften dürfen nichts davon erfahren. Wenn sie herausbekommen, dass er sie genommen hat, werden sie es uns sehr übelnehmen. Und selbst wenn er dir sagt, dass er sie nicht habe, darfst du nicht ohne sie nach unten kommen, denn der Maure ist ein Lügner und will dich bestimmt täuschen.«
    Es war ein schwieriger Auftrag, weil der Sarazene im zweiten Stock arbeitete, dem höchsten des Hauses, und Joan musste hochgehen und wieder hinunterkommen, ohne gesehen zu werden. Und die Zeit drängte, weil man ohne diese Nadel die Arbeit nicht beginnen konnte.
    Joan stieg leise die Treppe hoch. Er gab sich Mühe, dass ihn niemand sah. Mit bangem Herzen fürchtete er sich vor der Katastrophe, zu der es kommen würde, wenn man ihn entdeckte. Die Mägde waren in der Küche und die Herrschaften in der Buchhandlung beschäftigt, und darum konnte er die zwei ersten Treppenstücke erfolgreich hinter sich bringen. Der letzte Teil der Stufen endete an einer Bodenklappe, die knarrte, als er sie öffnete.
    Der Raum war hell, aber kalt. Der Herbst ging allmählich in den Winter über, und obwohl die Fenster mit Scheiben versehen waren, spürte man ein kühles Lüftchen. Es gab mehrere Arbeitstische, doch der Maure saß auf einem Stuhl an einem Schreibtisch. Die breite Rückwand war an den Seiten teilweise von einem Schrank verstellt. Auch der Schreibtisch wurde genutzt, um verschiedene Schreibutensilien aufzuhängen und geordnet unterzubringen, und unter ihm stand ein Kohlenbecken.
    Der Alte blickte überrascht von den Papieren auf. Er setzte ein sonderbares Gestell mit Gläsern ab, das ihm auf der Nase gethront hatte, und nachdem er ihn ein paar Augenblicke gemustert hatte, sagte er: »Also du bist der neue Ladendiener, nicht wahr?«
    Joan nickte zustimmend. Die Bodenklappe war geöffnet. Sein halber Körper befand sich auf der Treppe und die andere Hälfte im Zimmer. Er betrachtete diese unbekannte Welt, ohne dass er es wagte, ganz hineinzusteigen.
    »Ich habe mich gefragt, wie lange es dauern würde, bis du kommst«, setzte der Mann hinzu.
    Joan stieg die restlichen Stufen hinauf.
    »Bitte mach die Bodenklappe zu. Es zieht.«
    Der Junge gehorchte und starrte den Mauren aufmerksam an. Er gehörte zu der Sippschaft der Leute, die seinen Vater getötet und seine Familie versklavt hatten. Eines Tages würde er die Kerle finden, die es wirklich getan hatten, aber vorläufig konnte er sich nur an jemandem wie dem hier rächen. Er wollte ihm schaden – allerdings wusste er nicht, wie. Er wollte sich auch nicht der Gefahr aussetzen, dass der Herr, der den Sarazenen offenbar hochschätzte, davon erfuhr. Er musste behutsam vorgehen.
    »Gib mir die quadratische Nadel mit den drei Spitzen«, sagte er. »Die du aus der Werkstatt mitgenommen hast.«
    »Ach! Also geht es um die quadratische Nadel mit den drei Spitzen. Die, mit der man das unsichtbare Pergament näht, nicht wahr?«
    In der fremdartigen Sprechweise des Mannes schwang ein spöttischer Ton mit, der Joan reizte.
    »Gib sie mir. Der Meister braucht sie für eine Arbeit, und du hast sie unerlaubt weggenommen.«
    »Ob es etwas nützt, wenn ich dir sage, dass ich sie nicht habe?«
    »Sie haben mich schon gewarnt, dass du ein Lügner bist. Das werde ich nicht glauben.«
    »Nun, dann suche selbst nach ihr.«
    Joan fühlte sich unsicher. Niemand hatte ihm erklärt, wie die Nadel aussah und wie groß sie war. Sie schien etwas zu sein, das alle kannten, und ihm war nicht eingefallen, sie sich beschreiben zu lassen.
    »Ach! Aber wenn sie dir gar nicht gesagt haben, wie sie aussieht!« Der Mann stellte sich überrascht, und Joan merkte, dass er sich über ihn lustig machte.
    »Nein, das weiß ich nicht. Du aber ja schon. Gib sie her!«
    »Nur wie weißt du dann, dass ich dir nicht etwas anderes gebe?«
    Joan zuckte verlegen die Achseln. Er hatte sich sehr ungeschickt benommen, und nun war er in der Hand dieses Mannes.
    »Nun ja, weil du neu bist, gebe ich dir die quadratische Nadel mit den drei Spitzen, die,

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