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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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zuvor geschlagen wurden, war der Schrecken nicht so groß gewesen. Bald verstand er den Grund. Granollers gehörte keinem Herrn: Diesen Ort schützten die Rechte und Privilegien Barcelonas. Eigentlich sah man ihn als einen Teil Barcelonas an. Pere Joan Sala wagte es, die Stadt anzugreifen! Das war kein Krieg mehr, der nur zwischen Feudalherren und Bauern geführt wurde. Der Führer der
remensas
hatte einen verhängnisvollen Fehler gemacht. Barcelona würde ihn vernichten.
    Kurz danach klangen die Glocken der Kathedrale nicht mehr traurig und feierlich wie zuvor, sondern drängend und gebieterisch. Alle übrigen folgten ihr.
    »Es ist das
Via fora

    Das Läuten steigerte sich zu wilder Raserei, als wären die Glocken die Stimme der nach Rache rufenden Stadt. Das
Via fora
war der Aufruf an die Bürger, zu den Waffen zu greifen, um Barcelona zu verteidigen. Joan sah, wie die Leute auf der Straße plötzlich entschlossen und wütend aussahen. Bald erschienen sie mit Armbrüsten, Bogen, Spießen und Schwertern. Mosén Corró, der sich mit Helm, Harnisch und Spieß gerüstet hatte, ließ sich sein Pferd bringen und sammelte seine Männer vor dem Laden.
    »Lluís und Joan, ihr bleibt hier, ihr seid zu jung«, befahl er. »Ihr Übrigen kommt mit.«
    Die Glocken läuteten weiter gebieterisch und drängend, und wenn jemand rief:
»Via fora!«
, antwortete ihm überschwängliches Geschrei. Lluís und Joan beschlossen, den Älteren nachzulaufen, um ihnen zuzusehen. Das durften sie nicht verpassen.
    Die Zünfte spielten eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung der Stadt. Im Fall eines Angriffs wurde jeder Zunft der Schutz eines Mauerstücks übertragen. Das war eine Frage der Ehre. Die Feigheit oder das Heldentum eines Zunftmitglieds demütigte oder ehrte all seine Genossen.
    Die Buchhändler hatten noch keine offizielle Zunft, sie richteten sich bei ihrer Tätigkeit nach den städtischen Verordnungen für Buchhändler und Buchbinder aus dem Jahre 1446 , doch sie schlossen sich in einer Bruderschaft zusammen, die den heiligen Hieronymus verehrte. Sie hatte eine Kapelle in der La-Trinitat-Kirche, die am gleichnamigen Platz lag, und dorthin eilte die kleine Truppe der Corrós. Unterwegs begegneten sie anderen bewaffneten Gruppen, die zu den Kirchen liefen, wo ihre Schutzpatrone eine Kapelle hatten. Bald trafen sie mit weiteren Buchhändlern zusammen. Sie begrüßten sich mit einem
»Via fora!«
und streckten die Waffen hoch. Joan sah Bartomeu schon von weitem. Er ritt auf einem Pferd und war wie Mosén Corró bewaffnet.
    Sobald der Buchhändler auf dem Platz angekommen war, meldete er sich beim ältesten Mitbruder der Bruderschaft, der seine Leute und die Waffen, die sie trugen, ins Buch der Kämpfer einschrieb. Dann ging der älteste Bruder zum Rat der Hundert. Kurz darauf kam er zurück und gab bekannt, dass sich die Truppe schon auflösen könne. Diesmal werde Destorrens selbst, der oberste Ratsherr der Stadt, ein Bürgerheer führen, das sich den königlichen Truppen anschließen solle. Es konnte ein langer Feldzug werden, es war Winter, und die Zünfte mussten Proviant für ihre Männer zusammenholen. In einer Woche, wenn alles bereit sein würde, sollten die Truppen ausrücken, um sich denen des
remensa
Pere Joan Sala entgegenzustellen.
     
     
    Joan überwachte Bruder Nicolau. Da er ihn ständig beobachtete, erwiderte der Ordensbruder seinen Blick mit einem allzu freundlichen Lächeln. Der Junge wollte nicht, dass der Mönch bemerkte, wie sehr er ihn anwiderte, und manchmal gab er ihm ein halbes Lächeln zurück. Als sie sich eines Tages auf der Treppe zum Speisesaal begegneten, spürte Joan die Hände des Mönchs auf seinem Hintern. Es war nur eine kurze Berührung, doch sie erregte in ihm maßlosen Widerwillen. Er erinnerte sich, wie Gabriel erschrocken hochgesprungen war, als er die gleiche Berührung erlitt, und er musste seine Wut beherrschen, damit er sich nicht auf diesen Kerl stürzte und ihn die Treppe hinunterstieß. Er hatte andere Pläne.
    Als er an einem Nachmittag die Werkstatt verließ, versteckte er unter seinem Mantel eines der Werkzeuge, die sie benutzten, um Papier und Leder zuzuschneiden. Es war ein Flacheisen, das mit einem kleinen bogenförmigen Stück abschloss, ein Ende diente als Griff, und das andere hatte einen spitzen und sehr scharfen Rand. Er hatte sich entschlossen, den Mönch zu töten, wenn er schlief. Danach wollte er die Waffe in der Mauer verstecken, die das Kloster vom Rundenweg

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