Am Horizont die Freiheit
Mitbruder der Bruderschaft hatte entschieden, dass Mosén Corró wegen seines Alters in Barcelona bleiben und Meister Guillem dessen Haus vertreten würde. Er sollte die Gruppe – den Gesellen und die zwei ältesten Lehrlinge – anführen. Trotzdem glaubte Joan, dass Felip das eigentliche Kommando führen würde. Er erkannte, dass er die zaghafte und von Gewissensbissen begleitete Hoffnung hegte, dass die
remensas
seinen Widersacher töten würden. Die Erklärungen seines Vaters über die Freiheit und Felips boshafte Streiche veranlassten ihn, sich mit der Sache der aufständischen Bauern zu identifizieren, und er wünschte, dass sie wenigstens entkommen und ihren Kampf fortsetzen könnten.
Endlich sah er Bartomeu. Er gehörte zu den Reitern und saß auf einem schönen Streitross. Er schützte sich mit einer Halbrüstung und einem Helm, trug ein Schwert im Gürtel und eine Lanze, deren Fähnchen die Farben der Stadt zeigte. Meister Guillem bestätigte ihm, dass Bartomeu mit kaum achtzehn Jahren im Bürgerkrieg gedient hatte, in der leichten Reiterei unter Mosén Corró, zusammen mit Felips Vater. Dieser war in einem erbitterten Kampf gefallen, und der Kaufmann selbst wurde schwer verwundet. Der Buchhändler rettete ihn, wobei er sein eigenes Leben aufs Spiel setzte, und seitdem empfand Bartomeu zu ihm dieselbe Zuneigung, die er für seinen Vater und seinen älteren Bruder empfunden hätte. Nun übernahm Bartomeu die Stellung Corrós als Offizier der leichten Reiterei.
Joan rannte zwischen die unruhig schnaubenden Pferde, um seinem Freund Glück zu wünschen. Er und sein Bruder versprachen, viel für den Kaufmann zu beten.
Die Glocken beendeten ihr hartnäckiges Läuten, als der Bischof die Messe las. Nach dem Gottesdienst läuteten sie abermals, und die Menge schrie
»Via fora!«
, während die Truppen an dem Podium vorbeimarschierten, von dem aus sie der Bischof und mehrere Geistliche mit Weihwasser besprengten. Sie zogen durch die Porta de Sant Sever hinaus, und das Heer nahm den Weg, der durch die Gärten der Königin nach La Trinitat führte. Dann bewegte es sich in der Richtung nach Granollers weiter. Kurz darauf verschwand es in einer Staubwolke.
Die Betriebsamkeit auf den Straßen ging zurück. Man merkte, dass sehr viele Handwerker fehlten, und Joan spürte die Leere. Als er in den Laden kam, sagte ihm der Herr: »Solange der Meister und der Geselle im Heer sind, gibt es keine Arbeit in der Werkstatt. Das wenige, das doch anfällt, erledigt Lluís. Du musst ins Obergeschoss gehen. Du arbeitest mit Abdalá zusammen. Er sagt dir, was du tun sollst.«
Der Junge blickte finster drein. Obwohl ihn der Herr in der Werkstatt einsetzte, wusste er doch, dass die Arbeit, die er für ihn bestimmt hatte, die eines Kopisten war, und dass der Maure als Einziger im Haus diese Tätigkeit ausübte. Aber er wäre nicht auf den Gedanken gekommen, dass dieser ihm Anweisungen geben würde. Ein Sklave! Außerdem rief dieser Mann in ihm widersprüchliche Gefühle hervor. Immerhin hatte er ihn nicht an Mosén Corró verraten. Trotzdem blieb er ein Maure, ein Angehöriger jener Rasse, die seine Familie zerstört hatte. Dennoch stieg er schließlich zum
Scriptorium
hoch, wie der Herr das Obergeschoss nannte.
»Der Herr schickt mich, damit du mir das Schreiben beibringst«, sagte Joan laut und selbstbewusst, damit der andere begriff, dass er sich nicht herumkommandieren ließ.
Der Alte betrachtete ihn einige Zeit, danach setzte er seine Arbeit fort, ohne sich um ihn zu kümmern. Das verwirrte den Jungen, der allmählich wütend wurde. Der Maure respektierte ihn nicht, wie es seine Pflicht war.
»Ich habe dir gesagt, der Herr will, dass du mir das Schreiben beibringst«, sagte Joan noch einmal drohend und machte zwei Schritte auf den Greis zu.
Der Maure ließ sich nicht aus der Fassung bringen und schrieb weiter.
»Hörst du nicht, was ich sage?«, schrie der Junge schließlich gereizt.
Abdalá kümmerte sich immer noch nicht um ihn, während Joan überlegte, ob er ihm das Tintenfass, das auf dem Tisch stand, an den Kopf werfen sollte. Er beherrschte sich, weil er dachte, dass dies dem Herrn nicht gefallen würde. Andererseits wusste er, dass er etwas tun müsste, damit ihn dieser Mensch achtete.
In diesem Moment blickte der Alte von seinen Papieren hoch, sah ihn an und sprach in einem so sanften Ton, dass er wie ein Murmeln klang: »Ich höre dich. Aber deine Schreie erlauben mir nicht, dich zu verstehen.«
»Du
Weitere Kostenlose Bücher