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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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»Woher wisst Ihr das?«
    »Das ist nicht schwer. Meine Leute würden niemals Arkebusen bei einem Angriff an Land benutzen. Ihnen sind Pfeile lieber, und sie schießen sie blitzschnell ab, viel schneller als jeder Christ. Wenn es Muslime gewesen wären, hätten sie nicht einmal Armbrüste dabeigehabt, nur Bogen. Sie benutzen Pulver und Armbrüste ausschließlich dafür, um von einem Schiff zum anderen oder aus der Entfernung zu schießen. Damit plagen sie sich nicht an Land ab. Sie ziehen es vor, sich schnell zu bewegen. Genauso ist es bei der Reiterei. Uns ist es lieber, beweglich zu sein, anzugreifen, zurückzuweichen und wieder anzugreifen. Wir haben wenig für schwere Reiterei übrig. Das Gleiche gilt für die Galeeren. Sie müssen schnell und wendig sein. Die, die du beschreibst, war zu groß und hatte zu viele Geschütze, als dass sie eine von den unsrigen gewesen sein könnte.«
    Joan blickte ihn überrascht an. Vorher hatten ihn die Andeutungen, dass die Piraten vielleicht keine Sarazenen waren, kaum gekümmert. Nicht einmal der Mercedariergeneral hatte ihn überzeugt. Doch aus irgendeinem Grund glaubte er diesem Mauren.
    »Wann willst du mit dem Lernen beginnen?« Die Stimme des Mannes holte ihn aus seinen Gedanken.
    »Dann, wenn Ihr es sagt, Meister Abdalá«, antwortete Joan.

26
    V or den Augen des Jungen eröffnete sich eine faszinierende Welt. Bücher, viele Bücher und die merkwürdigen Instrumente, mit denen sie geschrieben wurden. Bevor er jedoch den ersten Buchstaben zeichnen durfte, musste er sich mit den Gegenständen im
Scriptorium
vertraut machen. Für eine einwandfreie Schrift waren die Federn entscheidend, und sie mussten sorgfältig zugeschnitten sein. Wegen ihrer Qualität und ihres Preises wurden Gänsefedern am häufigsten benutzt. Doch von Wert waren nur die fünf längsten Federn des linken Flügels, denn sie bogen sich in der für einen geschickten Abschreiber geeigneten Form. Im Frühling riss man sie dem lebenden Vogel aus, und danach ließ man sie eine Zeitlang trocknen. Schwanenfedern wurden höher geschätzt, aber sie waren selten und teuer. Für sorgfältige Zeichnungen benutzte man Rabenfedern, allerdings gab es auch Adler-, Uhu- und Falkenfedern. Man musste die Messerklingen gründlich schärfen, um einen vollkommenen Schnitt des Kiels zu erreichen, wenn dieser abgenutzt war. Eine gute Feder hielt nicht länger als eine Woche.
    Um eine ausgewogene und schöne Schrift zu erreichen, war die Tinte das zweite entscheidende Element. Man musste darauf achten, dass sie die richtige Konsistenz hatte, und Wasser hinzusetzen, wenn sie austrocknete. Die Qualität des Papiers oder Pergaments war ebenfalls wichtig. Es gab andere Schreibmaterialien wie etwa Papyrus, doch sie waren teuer, weniger haltbar als Papier, und im Haus der Corrós wurden sie nicht verarbeitet.
    Vor dem Schreiben musste man das Papier linieren, um zu vermeiden, dass die Buchstaben ungleich ausfielen. Hierfür zog man mit dem Lineal äußerst feine Linien, auf denen die Schrift stehen sollte. Wenn die Seite prächtige Initialen enthielt, die beträchtlich größer waren, sorgte man ebenso für den erforderlichen Raum, wie man es auch tat, wenn irgendeine Zeichnung hinzukam.
    Außer dem Tisch, den der Meister benutzte, verfügte das
Scriptorium
über drei weitere Tische, die eine schräge Fläche hatten, um das Buch, worin man schrieb, und das Original zu stützen. Als Joan so viele leere Tische sah, wurde ihm klar, dass sich die Kopieraufträge in letzter Zeit verringert hatten.
    Man arbeitete mit schon gebundenen Büchern, und damit man sie nicht beschmutzte, musste man sehr vorsichtig mit der Tinte umgehen. Die Tintenfässer waren fest im Tisch eingebaut, um zu vermeiden, dass sich die Tinte durch einen unglücklichen Zufall auf die kostbaren Bücher ergoss, und unter den Tischen standen Kohlenbecken, die nicht so sehr den Zweck hatten, den Schreiber in der kalten Jahreszeit zu wärmen, als vielmehr die Tinte schnell zu trocknen.
    Abdalá brachte ihm bei, wie er die Feder richtig anfasste und ihre Spitze so eintauchte, dass der Kiel die erforderliche Tintenmenge aufnahm, ohne einen Klecks zu machen. Schließlich zeigte er ihm, wie man das Messer benutzte. Dies war ein flaches, an einer Seite geschärftes Metallinstrument, das er stets in der linken Hand halten sollte, während er mit der rechten schrieb.
    »Das Schreiben ist eine beidhändige Arbeit«, sagte Abdalá. »Ebenso, wie du deine beiden Füße brauchst, um

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