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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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verließ der Mut. Darum füllte er den Krug und ging, ohne länger zu warten.
    Am nächsten Tag stand Joan zur gleichen Zeit an dem Brunnen. Diesmal war er entschlossen, sie anzusprechen. Aber zu seiner Enttäuschung erschien sie nicht, obwohl er eine Weile wartete. Ein paar Tage später war er erfolgreicher. Als er sie kommen sah, stellte er sich in die Schlange, damit sie sich hinter ihm einreihen musste. So konnte er ihr seinen Platz überlassen. Sie nahm an, wobei sie ihn mit einem Lächeln belohnte, das ihm vorkam, als sei es von einem Engel gekommen. Joan blieb mit trockenem Mund hinter ihr stehen und grübelte, was er ihr sagen könnte, aber er brachte kein Wort hervor. Sie füllte ihren Krug und ging wortlos fort, ohne sich bei der Plaudergruppe aufzuhalten. Anmutig hielt sie die Augen gesenkt, blickte dann einen kurzen Moment hoch, wobei sie den Kopf zur Seite wandte, um Joan anzusehen. Das Herz des Jungen setzte einen Moment lang aus. Gern hätte er ihr gesagt, wie schön sie war, doch er traute sich nicht. Als sie um die nächste Ecke bog und verschwand, bewahrte Joan die Erinnerung, wie sie mit Grübchen im Gesicht lächelte, wie ihre grünen Augen leuchteten und wie sie ihre Hände sanft bewegte.
     
     
    Anna wusste nicht, warum ihr dieser Junge anders als die Übrigen vorkam. Bei den ersten Begegnungen, als er noch diese sonnenverbrannte Haut hatte und sich wie ein Dörfler kleidete, bemerkte sie bei ihm eine Mischung aus Unsicherheit und Entschlossenheit. Sein Blick war ebenso energisch wie traurig und hoffnungsvoll. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie ihm beim ersten Mal zugelächelt hatte, und dann noch ein zweites Mal, als er zu ihrem Vater kam, um Korallen zu verkaufen. Doch als er dann erschien und wie die übrigen Jungen gekleidet war, die sie umschwärmten, weil er diese offenbar nachahmen wollte, war sie enttäuscht und tat so, als würde sie durch ihn hindurchblicken.
    Sie war erstaunt, als sie ihn am Brunnen entdeckte, drei Monate, nachdem er ihre Gleichgültigkeit sattbekommen hatte und sich nicht mehr beim Laden ihrer Eltern zeigte. Das Wasserholen war Mädchenarbeit, und so etwas erledigten Jungen nur in solchen Häusern, wo es keine Mädchen gab. Sie sah seine Verwirrung und wandte den Blick ab, ohne dass sie wusste, was sie tun sollte. Er war der einzige Junge, dessen Verschwinden sie bedauerte. Er war etwas Besonderes.
    Ihre Begegnung am Brunnen machte einen unerwarteten Eindruck auf sie, und sie ließ sich Ausreden einfallen, damit die Magd in den folgenden Tagen Wasser holte. Doch als sie schließlich wieder hinging, war sie entschlossen, ihn besser kennenzulernen. Anna wurde von stattlicheren Verehrern als diesem Jungen umschwärmt, und Joan wäre für ihre Eltern völlig ungeeignet, obwohl er nun hellere Haut hatte und ein Wams trug. Doch die Sorgen ihrer Eltern waren nicht die ihren. Dieser Junge war anders und nahm sie für sich ein.
     
     
    Nach einigen Scharmützeln in der Umgebung von Granollers sah Pere Joan Sala ein, dass seine
remensas
keinem derart großen Heer standhalten könnten. Er wollte seine Truppen geordnet zurückziehen, doch auf ihrer Flucht nach Norden wurden sie am 24 . März in Llerona eingeholt. Sie erlitten eine vollständige Niederlage. Zweihundert von ihnen starben im Kampf, ebenso viele wurden gefangen genommen, darunter auch der Anführer. Die Übrigen entkamen mit knapper Not.
    Als die Nachricht in der Stadt eintraf, läutete man alle Glocken, und ein weiteres Mal, als das siegreiche Heer unter den Jubelrufen der Bevölkerung einzog. Kaum ein halbes Dutzend Städter waren gefallen. Es war ein großer Sieg, und die Nachbarn beglückwünschten sich auf den Straßen.
    Alle, die zum Haus Corrós gehörten, kehrten gesund und wohlbehalten zurück. Felip sah zufrieden aus. Er hatte den Kriegszug genossen und rühmte sich damit, zwei Bauern getötet zu haben. Er wurde nicht müde, die Einzelheiten zu schildern.
    »Deinen Freunden haben wir eine hübsche Tracht Prügel verpasst,
remensa
«, sagte er zu Joan, als er ihn sah, um ihn zu begrüßen.
    Er unterstrich seine Worte mit einer Kopfnuss, die jedoch nicht kräftig ausfiel, und der Junge sagte nichts. Felip wusste noch nicht, dass er mit Abdalá zusammenarbeitete, und Joan fürchtete seine Reaktion.
    Bartomeu teilte nicht die Begeisterung des Lehrlings.
    »Das war ein Blutbad«, erklärte er. »Wir haben sie mit der Reiterei überrannt. Sie waren schlecht bewaffnet und ausgehungert. Unsere

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