Am Horizont die Freiheit
Meister Guillem und Felip. Sie erwarteten ihn und machten ein finsteres Gesicht.
»Was gibt es?«, stammelte der Junge überrascht.
»Joan, gib mir bitte deinen Mantel«, verlangte der Herr von ihm.
»Meinen Mantel?«
»Ja.«
Joan schaute jedem Einzelnen der Anwesenden ins Gesicht, weil er verstehen wollte, worum es ging. Abdalá sah traurig aus, Mosén Corró blickte entschlossen und Meister Guillem erwartungsvoll. Felip konnte seine Freude kaum hinter einer dem Anlass entsprechenden Miene verbergen. Joan spürte, dass sich etwas Übles für ihn zusammenbraute.
»Gib mir deinen Mantel!« Der Herr wiederholte den Befehl.
Joan wäre gerne hinausgerannt. Er fürchtete das Schlimmste, doch er war ans Gehorchen gewöhnt und verwarf eine Flucht. Sie würde die Dinge weiter verschlimmern. Also gab er das Kleidungsstück langsam her und spürte, dass er den Kopf auf den Richtblock legte.
»Meister Guillem«, sagte der Herr, als er den Mantel an ihn weitergab, »untersucht das Futter.«
Guillem versäumte es nicht, Joan einen Blick zuzuwerfen, den dieser als eine Anklage verstand. Er prüfte die Naht am unteren Teil des Mantels und tastete den Stoff ab.
»Hier gibt es zwei unterschiedliche Arten von Stichen«, sagte er nach einer Weile. »Und die einen wurden mit demselben Faden ausgeführt, den wir für die Bücher benutzen.«
»Trennt diese Stiche auf, Guillem«, verlangte der Herr.
Der Meister strengte sich mit einer Schere an, und kurz darauf zog er etwas aus dem Futter, das durch seinen Glanz blendete. Joan erkannte es sofort: Es war ein Goldblatt.
Er war sprachlos. Sein Blick wanderte vom Gold zu Mosén Corró, der ihn empört anstarrte. Als er zu Abdalá hinübersah, stellte er fest, dass dieser zu Boden blickte und den Kopf leicht schüttelte, um seine Ablehnung zu bekunden. Felip hingegen fiel es schwer, ein triumphierendes Lächeln zu verbergen.
»Niemals hätte ich das von dir erwartet!«, warf ihm der Herr vor.
»Ich war das nicht. Ich verspreche es«, verteidigte sich Joan.
Es trat Schweigen ein. Alle warteten auf Mosén Corrós Antwort.
»Wie erklärst du dir dann, dass ein Goldblättchen in deinem Mantel versteckt ist?«
»Jemand hat es hineingesteckt.« Joan spürte, wie ihm die Tränen aus den Augen traten. »Ich war es nicht!«
»Es tut mir leid. Aber du konntest ganz leicht an das Gold herankommen und es in deinem Mantel verstecken. Alles weist auf dich hin und auf keinen anderen. Es ist besser, dass du deine Schuld zugibst. Wo bewahrst du die übrigen Goldblättchen auf?«
»Ich habe sie nicht!«
»Joan, ich sage es dir nur noch einmal.« Der Herr konnte seine Empörung nur mühsam beherrschen. »Gib deinen Fehler zu und sag mir, wo du das übrige Gold versteckt hast.«
»Ich habe es nicht! Das schwöre ich!«
Mosén Corró packte ihn am Arm, und einen Augenblick sah es so aus, als wollte er ihn schlagen. Doch er hielt sich zurück und sagte: »Hör zu, Joan. Lass mich nicht die Geduld verlieren.«
»Ich war es aber nicht.« Joan konnte die Tränen nicht unterdrücken. »Ich schwöre es bei meinem toten Vater!«
Es wurde still. Der Herr wandte seinen Blick von dem schluchzenden Jungen ab und beobachtete die Gesichter der Übrigen. Felip hatte den Kopf gesenkt.
»Denk darüber nach, Joan«, sagte Mosén Corró nach einer Weile. »Und geh in die Werkstatt, solange wir anderen uns hier unterhalten. Wenn ich dich hochrufen lasse, hoffe ich, dass du wenigstens das Herz hast, deinen Fehler zuzugeben. Danke, Felip. Geh du mit ihm zusammen.«
Joan ging die Treppe hinunter. Felip lief ihm hinterher, und als sie unten angekommen waren, sagte er: »Jetzt ist es wirklich aus mit dir.« Seine Stimme hatte einen sarkastischen Ton. »Nicht wahr,
remensa
?« Er lächelte. Sein Gesicht zeigte immer noch die Spuren der Verletzungen, die er ein paar Wochen zuvor abbekommen hatte.
Joan stürzte sich auf ihn, doch das hatte der große Bursche erwartet, und er warf ihn mit einem Faustschlag zu Boden.
»Mehr kriegst du nicht, weil ich nicht will, dass der Herr auch mich hinauswirft.«
Die anderen zwei Lehrlinge und der Geselle erwarteten sie, als sie die Werkstatt betraten.
»Was ist geschehen?«, fragten sie.
Joan sagte nichts. Er setzte sich in eine Ecke, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte die Hände an sein schmerzendes Gesicht. Er wollte sich konzentrieren, aufhören zu weinen und verstehen, was vorgefallen war.
»Nichts ist geschehen«, antwortete Felip, nachdem er eine
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