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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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aufgelöst. Ein Juwelier ließe niemals einen Dieb in seine Familie einheiraten.
    Er würde fliehen. Mit einer unverdienten Strafe konnte er sich nicht abfinden. Er würde an Bord des ersten Schiffes gehen, das ihn nahm, vielleicht bis nach Italien kommen und mehr über seine Familie erfahren. Er bedauerte, seinen Bruder zurücklassen zu müssen, doch der Kleine hatte eine gute Arbeit in der Gießerei gefunden. Er war sehr glücklich dort, und eines Tages würde er die Glocke herstellen, deren Klang der bewegendste der Welt sein würde. Der Meister hatte ihn in seinem Haus untergebracht, und er genoss eine herzliche und liebevolle Behandlung. Joan durfte nicht auf ein Schiff steigen, bevor er sich von ihm verabschiedet hatte.
    Er wollte sich auch von Bartomeu verabschieden, doch der Kaufmann kam erst in vier Tagen von einer Reise zurück. Das war zu spät. Er müsste früher fort.
    Und natürlich musste er Anna Lebewohl sagen. Er wusste, dass es ein Abschied für immer sein würde. Wenn er eines Tages nach Barcelona zurückkehrte, würde sie eine verheiratete Frau sein und ihre Kinder an der Hand halten. Er hatte nichts zu verlieren. Er würde ins Haus eindringen, wenn es nötig sein sollte, und er würde mit ihr reden. Zum allerletzten Mal.
    Er ging zu den Schänken, in denen die großen Schiffe ihre Mannschaften anheuerten. Doch im Hafen lag nur eine Karavelle, und sie brauchte keine Seeleute. Dann erkundigte er sich am Strand, fand jedoch auch dort nichts. Die Nacht brach herein. Es war zu kalt, um im Sand zu schlafen, und die Schankwirte erlaubten niemandem, in ihren Lokalen zu übernachten. Ein Betrunkener mochte noch so tief schlafen, sie setzten ihn auf die Straße, bevor sie zumachten. Schließlich überlegte Joan, dass sie ihn vielleicht im Kloster Santa Anna aufnehmen würden. Dann könnte er den ganzen nächsten Tag darauf verwenden, ein Schiff zu finden.
     
     
    »Du willst weglaufen, obwohl du unschuldig bist?«, fragte Bruder Antoni, der Subprior, nachdem er Joans Geschichte aufmerksam zugehört hatte.
    In seinem knochigen Gesicht unter dem schütteren Haar leuchteten die lebhaften, harten Augen. Joan hatte sich vor diesem Moment gefürchtet. Noch erinnerte er sich an die wenig liebevolle Aufnahme, mit der er ihn und seinen Bruder bedacht hatte, als sie nach Barcelona gekommen waren. Da der Prior abwesend war, musste er Bruder Antoni bitten, ihn zu beherbergen. Er beaufsichtigte den Kochtopf der Gemeinschaft und bestimmte bei den häuslichen Angelegenheiten.
    »Es gibt keine Möglichkeit, meine Unschuld zu beweisen, und ich will nicht wie ein Dieb für etwas büßen, was ich nicht getan habe«, rechtfertigte sich der Junge. »Gebt mir aus christlicher Liebe eine Unterkunft für heute Nacht, und morgen steige ich auf ein Schiff, das irgendwohin fährt. Ich werde Euch nicht weiter zur Last fallen. In meinem Beutel habe ich ein paar Kupfermünzen, damit bezahle ich Euch für das Bett.«
    Der Mönch starrte ihn mit funkelnden Augen an. Joan hatte Angst, dass ihn dieser jähzornige Kerl mit Fußtritten hinauswarf.
    »Wie kannst du es wagen!«, brüllte er schließlich. »Wie kannst du es wagen, mir Geld anzubieten!«
    »Ich …«, stammelte Joan. »Ich wollte Euch nicht beleidigen.«
    »Also, natürlich beleidigst du mich!«, fuhr ihn der Mönch an. »Du bleibst hier so lange bei uns, wie es notwendig ist, um deine Unschuld zu beweisen. Wir sind arm, aber nicht so sehr, dass wir dir kein Essen geben können.«
    Joan betrachtete ihn überrascht. Woher kam diese plötzliche Großzügigkeit? Das verwirrte ihn. Es passte nicht zu dem, was er von dem Mönch kannte.
    »Aber als wir hergekommen sind, mein Bruder und ich, da habt Ihr …«
    »Das war etwas anderes«, unterbrach ihn der andere. »Eine Sache ist es, wenn uns der Prior mutwillig zwei weitere Esser aufzwingen will. Das hat nichts damit zu tun, dass wir jemanden wie dich, wenn du Probleme hast, im Stich lassen, wo du mit uns zusammengelebt und zu unserer Gemeinschaft gehört hast. Du bekommst Bett, Abendessen, Frühstück und Mittagessen.«
    Er blickte ihn mit ernster Miene fest an. »Und lass dir ja nicht einfallen, zu fliehen«, sprach er weiter. »Du hast mir gesagt, dass du unschuldig bist, und ich glaube dir. Du musst deine Unschuld beweisen, selbst wenn es nur deshalb wäre, um die Ehre der Gemeinschaft von Santa Anna zu schützen.«
    Die Ehre des Santa-Anna-Klosters war Joans kleinste Sorge, doch er freute sich über die unerwartete

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