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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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riefen ihm zu, er solle den Stock wegwerfen. Er gehorchte erst, nachdem er den Schädel des Gestürzten mit einem schallenden Schlag getroffen hatte, und mit der ganzen Wut, die er so lange in sich aufgestaut hatte, trat er nun auf den liegenden Körper ein. Dann setzte er sich auf den anderen und bearbeitete ihn mit den Fäusten, bis sie bluteten.
    »Lass ihn in Ruhe!«, hörte er die anderen. »Jetzt reicht es. Du bringst ihn ja um.«
    Lluís und ein weiterer Junge zogen ihn von Felips zusammengerolltem und blutüberströmtem Körper fort. Felip war nur noch ein willenloses Bündel.
    Joan begriff, dass er gesiegt hatte. Er streckte die blutigen Fäuste hoch, schrie und brüllte, bis ihm die Stimme versagte. Wie ein wildes Tier.
    Als sein Gebrüll verstummte, schrien viele andere und klatschten Beifall. Ein Tyrann war gestürzt, und mehrere Jungen – sowohl von den Roten als auch von seiner eigenen Bande – nutzten die Gelegenheit, um den Körper mit Fußtritten zu misshandeln. Beinahe hätten sie den Regungslosen umgebracht. Er war bewusstlos, und man musste eine Trage zusammenbauen, um ihn zum Haus der Corrós zu schaffen. Es ging ihm so schlecht, dass der Herr einen Arzt holen ließ, der entscheiden sollte, ob man ihn in ein Hospital bringen müsse. Die Lehrlinge sagten, er sei gestürzt. Man glaubte ihnen nicht, doch man fragte auch nicht weiter nach.
    Der Arzt erklärte, Felip habe keinen Schädelbruch – ein Wunder, wenn man die vielen Verletzungen am Kopf und im Gesicht bedenke. Er stellte auch keine Knochenbrüche fest, abgesehen von drei Rippen. Er müsse ein paar Wochen das Bett hüten, das würde ausreichen.
     
     
    Für Joan änderte sich das Leben vollkommen. Die Morgen waren schöner und die Nachmittage ruhiger. Er litt nicht mehr unter Felips ständigen Quälereien und Beleidigungen und wurde nun von den Lehrlingen bewundert und geachtet. Lluís bat ihn, die Leitung der Bande zu übernehmen, doch Joan sagte, dafür habe er nicht gekämpft.
    »Nun, das musst du aber tun«, beharrte Lluís. »Sonst bestimmt er wieder. Manche halten immer noch zu ihm. Und dann lässt er es uns büßen, die dir geholfen haben.«
    »Ich will nicht«, widersprach Joan. »Aber du könntest der Anführer werden. Du bekommst meine Unterstützung, und ich werde dein Stellvertreter in der Gruppe.«
     
     
    »Danke, Meister. Ich hatte nie geglaubt, dass ich ihn besiegen könnte.«
    »Du hast mir eine große Freude gemacht. Du bist ein ausgezeichneter Lehrling«, antwortete Abdalá. »Und dieser Raufbold hat eine kräftige Lektion verdient. Deine Sache war gerecht.«
    »Aber was nützt einem Gerechtigkeit, wenn die Kraft fehlt, sie zu verteidigen.«
    »Ja. Das ist richtig«, pflichtete ihm der Alte bei. »Sag mir, was du gelernt hast.«
    »Dass man Siegeswillen haben muss. Aber er allein reicht nicht aus. Man muss auch das Gesamtunternehmen gut vorbereiten. Ich habe mich vorher überzeugt, dass mich mehrere Bandenmitglieder unterstützen, und dafür konnte ich mich auf Lluís verlassen. Außerdem kannte ich das Bandengesetz genau, so dass ich mich darauf berufen konnte, wenn Felip es brechen wollte.«
    »Gut, sehr gut«, erklärte Abdalá zufrieden. »Und die Überraschung?«
    »Felip hatte meine Herausforderung nicht erwartet, und das noch weniger zu diesem Zeitpunkt. Ich hatte in den letzten Tagen so getan, als wäre ich völlig unterwürfig. Da ich ihn kenne, habe ich außerdem richtig vorhergesehen, dass er mir mit dem letzten Stein einen unehrlichen Streich spielen wollte. Darum habe ich vorgetäuscht, dass ich nicht richtig laufen konnte, und darum hatte ich auch Schild und Stock sorgfältig im Gebüsch, hinter dem Baum, versteckt.«
    »Ich gratuliere. Ich bin stolz auf dich.«
    Joan schrieb heimlich in sein Lehrlingsbuch: »Siegeswille, gemeinsames Handeln und Überraschung.«
     
     
    Als Felip wieder zu sich kam, brauchte er einige Zeit, bis er sich an die Ereignisse erinnern konnte, und noch länger, bis er begriff, dass dies das Ende seiner Herrschaft war. Als Joan erfuhr, dass er bei Bewusstsein war, suchte er einen Moment aus, in dem die Übrigen am anderen Ende der Werkstatt arbeiteten, um ihn zu besuchen. Felip lag auf seinem Strohsack.
    »Wie geht es dir?«, fragte Joan.
    »Besser«, antwortete der andere abweisend.
    »Wenn du willst, kann unser Streit damit enden.« Er hielt ihm die Hand hin. »Zeige mir Achtung, und ich achte dich.«
    Trotz seines mit blauen Flecken und Wunden bedeckten Gesichts starrte

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