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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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beunruhigende Pause gemacht hatte. »Wir haben den Dieb schon gefasst.«
    Als die Männer wieder herunterkamen, betrachteten ihn der Herr und die zwei Meister mit ernster Miene.
    »Hast du nachgedacht, Joan?«, erkundigte sich Mosén Corró.
    »Ich muss nicht nachdenken. Ich war es nicht.«
    Der Buchhändler sah die anderen an, bevor er weiterredete.
    »Also, ich merke, dass du bei deiner Haltung bleibst. Und das tut mir um deinetwillen leid. Nimm deine Sachen und geh. Das hier ist nicht mehr dein Zuhause.«
    »Aber …«
    »Geh auf der Stelle«, verlangte Mosén Corró nachdrücklich. »Ich gebe dir zwei Tage, damit du darüber nachdenkst. Wenn du am dritten nicht mit dem Gold zurückgekommen bist, zeige ich dich bei den Behörden an. Du bist sehr jung, und ich will dir die Strafe und die öffentliche Schmach eines Diebes ersparen.«
     
     
    Joan packte seine Sachen in einem Bündel zusammen. Es war größer als das, das er aus Llafranc mitgebracht hatte, doch die Umstände erinnerten ihn an die damalige Tragödie.
    »Es tut mir leid, Sohn«, sagte Abdalá zu ihm. »Ich glaube dir, aber ich konnte die anderen nicht überzeugen. Die Beweise sprechen gegen dich.«
    »Das muss Felip angestiftet haben!«
    »Das ist gut möglich. Aber es ist ihre Pflicht, die Ehre der Bruderschaft zu verteidigen. Sie müssen den Schuldigen finden und ein abschreckendes Urteil fällen, damit alle erfahren, dass bei den Buchhändlern kein Vergehen ungestraft bleibt.«
    »Selbst wenn sie einen Unschuldigen treffen?«
    »Sie haben Beweise, die sie für überzeugend genug halten. Wenn sie nicht einschreiten würden, wäre das ein für die Bruderschaft unannehmbares schlechtes Beispiel.«
    »Sie werden mich aus der Bruderschaft ausschließen, nicht wahr? Ich kann niemals Buchhändler werden!«
    Abdalá nickte.
    »Ich war es aber nicht, Meister!«, schluchzte Joan. »Ich bin sicher, dass sich Felip all das ausgedacht hat. Er hasst mich.«
    »Es tut mir leid. Hoffentlich können wir deine Unschuld beweisen.«
    Bevor Joan fortging, schrieb er in sein Buch: »Felip war es.«
    Er fühlte sich nicht imstande, sich von jemandem zu verabschieden. Sobald er seine Habseligkeiten in dem Bündel verschnürt hatte, lief er die Treppe hinunter und wollte das Haus verlassen.
    »Joan!« Das war Señora Corró. Sie sah dem Jungen einen Moment in die Augen, und ihre dunklen und lebhaften Augen erinnerten ihn an die seiner Mutter. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Sie streckte ihm die Arme entgegen und drückte ihn liebevoll an sich, während er hemmungslos weinte.
    »Ich war es nicht, Herrin. Ich war es nicht.«
    »Es tut mir leid, mein Sohn.« Auch sie weinte. »Ich glaube dir, aber ich kann nichts für dich tun. Möge dir der Herrgott beistehen!«
    Als er schon auf der Straße stand, blickte er sich nach beiden Seiten um, ohne zu wissen, wohin er gehen sollte. Er beschloss, zum Hafen zu laufen. Vielleicht könnte er auf einem Schiff anheuern. In Barcelona gab es keine Zukunft für ihn. Neuigkeiten verbreiteten sich wie im Fluge, und keine Zunft würde ihm mehr Arbeit geben. Er war entehrt, obwohl er unschuldig war. Er musste fortgehen, fliehen. Wenn er blieb, würde er im Gefängnis enden.
    Er hörte, wie jemand nach ihm rief, und sah, dass ihm Lluís hinterherrannte.
    »Ich war es nicht, Lluís«, sagte er, als dieser ihn einholte. »Ich bin mir sicher, das hat Felip getan, um mich loszuwerden.«
    »Ich halte zu dir, Joan«, erklärte er. »Felip plustert sich schon wieder auf wie früher, und wenn du nicht da bist, kann ich nicht verhindern, dass er bald wieder die Führung übernimmt.«
    Joan zuckte die Achseln. Er hatte ernsthaftere Sorgen als die Führung der Bande.
    »Ich wünsche dir viel Glück«, sagte Lluís. »Auch ich glaube, dass Felip es getan hat, um dir dann die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
    Die beiden Jungen umarmten sich, und Joan ging weiter zum Meer. Er wollte ganz weit fort von hier.

40
    E s war Ende November, ein kalter und bewölkter Nachmittag, und Joan lief zum Hafen, wo er die Wärme der Schänken und des Weins suchte. Man hatte ihm eine Frist von zwei Tagen eingeräumt, um etwas zurückzugeben, was er gar nicht hatte. Ansonsten würde man ihn der städtischen Justiz ausliefern. Joan wusste genau, was ihn als Dieb erwartete: öffentliche Auspeitschung, Schande, der ganze Ritus der Bestrafung. Aber das war nicht das Schlimmste. Seine zuvor schon geringen Aussichten, Anna heiraten zu können, hatten sich nun in nichts

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