Am Mittwoch wird der Rabbi nass
gesagt hat, er werde uns alle – ‹einzeln oder gemeinsam›, hat er gesagt – vor einen Din-weiß-nicht-was zitieren. Okay, er steht also auf der einen Seite und wir auf der anderen. Er ist der Kläger, wir sind die Beklagten. Der gesunde Menschenverstand muss einem doch sagen, dass der Kläger nicht bei einer Versammlung der Beklagten anwesend sein darf.»
«Aber, Paul …»
«Ich finde, was Mr. Goodman sagt, hat einiges für sich», erklärte der Rabbi. «Ich finde selbst, dass ich an der nächsten Sitzung nicht teilnehmen sollte. Ich habe meine Meinung dargelegt, nun liegt es bei Ihnen, wie Sie darüber entscheiden werden. Es macht mir nichts aus, eine Woche zu warten.»
«Einen Moment! Nächste Woche findet keine Sitzung statt», sagte Goodman.
«Warum nicht?»
«Frauenklubfest.»
«Ach ja! Dann also die Woche danach. Einverstanden, Rabbi?»
«Wenn ich eine Woche warten kann, werde ich auch zwei warten können», antwortete der Rabbi.
39
Edie Kaplan begriff nicht, was ihre Freundinnen so erstaunlich an ihrer Haushaltsführung fanden. Sie kochte koscher mit zweierlei Geschirr, eines für Fleisch, das andere für Molkereiprodukte, weil das für sie einfach normal war. Ihr Vater war Schammes einer großen Synagoge in Boston gewesen, und von einem Synagogendiener erwartet man, dass er ein frommer Mann ist, der sich streng an die religiösen Vorschriften hält. Er war nicht nur für die Instandhaltung des Gebäudes verantwortlich, sondern musste auch alle notwendigen Vorbereitungen für die Gottesdienste treffen, bei den täglichen Gebeten als Vorbeter fungieren, aus den Schriftrollen lesen und sogar gelegentlich den Kantor vertreten.
Edie war in einem Haus aufgewachsen, in dem die Vorstellung, Fleisch und Molkereiprodukte vom selben Geschirr zu essen, ebenso unmöglich war wie die, etwa vom Fußboden zu essen. Und den Gedanken, beides während derselben Mahlzeit zu essen, war für sie einfach Ekel erregend. Schon wenn sie nur ein Rezept las, das für die Zubereitung eines Fleischgerichts die Verwendung von Butter oder Milch vorschrieb, drehte sich ihr der Magen um.
Sie wusste natürlich, dass andere Leute Schweinefleisch und Hummer aßen, für sie selbst aber waren diese Dinge ebenso fremd und ausgefallen wie Schnecken, Schlangenfleisch oder geröstete Ameisen, die ja auch von manchen Leuten gegessen wurden. Auch sah sie in ihren Essgewohnheiten kein Opfer, das sie aus religiösen Gründen brachte, wie die Katholiken, wenn sie am Freitag Fisch aßen. Gewiss, sie wusste verstandesmäßig, dass die Speisen, die sie aß, gestattet waren, und die Speisen, die sie nicht aß, nach den Regeln ihres Glaubens als tabu galten, tatsächlich aber reagierte sie in dieser Beziehung rein instinktiv. Sie hätte keinen Bissen von den verbotenen Speisen schlucken können, und hätte man sie gezwungen, sie hätte ihn wieder ausgewürgt. Wenn die Kaplans mit ihren Freunden auswärts aßen, bestellte sie sich immer Fisch, und wenn einer aus der Gesellschaft sich Fleisch bestellte und dann vor allem ein mit Butter bestrichenes Brötchen dazu aß, zuckte sie unwillkürlich zusammen und musste sich abwenden.
«Aber ist es nicht furchtbar umständlich, Edie, von allem jeweils zwei Garnituren zu haben? Bringst du sie nicht durcheinander?»
Dann zuckte sie die Achseln und antwortete: «Als wir in Israel waren, haben wir gesehen, wie die Beduinen auf dem Boden saßen und alle gemeinsam aus einer Schüssel aßen, mit den Händen. Zum Essen an einem Tisch zu sitzen, jeder mit einem eigenen Teller und einem eigenen Besteck, muss ihnen auch furchtbar umständlich vorgekommen sein.»
Edie hatte Chester geheiratet, als dieser noch Jurastudent war, und sie hatten mehrere Jahre bei ihren Eltern gewohnt. Es war nicht unangenehm gewesen, aber ihr Mann hatte sich über die Notwendigkeit dieses Arrangements geärgert. Nach bestandenem Staatsexamen hatten einige seiner Freunde öffentliche Ämter übernommen, etwa als Assistant District Attorney, oder waren bei Versicherungen und großen Anwaltskanzleien gelandet. Chester dagegen hatte sich entschlossen, eine eigene Anwaltspraxis zu eröffnen, aber es kamen keine Klienten.
Edie glaubte jedoch an ihn, ebenso wie sein Schwiegervater, der manchmal sagte: «Keine Sorge, Chester, vertraue auf Gott, und alles wird gut werden.»
«Meinst du, Er wird mir Klienten schicken?», spöttelte Kaplan.
«Nun, zweifellos wird Er für dich nicht hinter Krankenwagen herjagen, Chester», antwortete sein
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