Am Montag flog der Rabbi ab
nehmen?»
«Na ja, viele Rabbis wollen eben eine Aufzeichnung haben.»
«Sicher, aber das machen sie doch zuerst mal schriftlich. Wenn er seine Predigten auf Tonband aufgenommen hat, dann hat er vielleicht schon damals ’ne Stellung gesucht und wollte die Bänder an eventuell interessierte Gemeinden schicken.»
«Da ist was dran, Arnold.»
«Stimmt, aber vielleicht war das Ganze auch gegen Ende seiner Zeit dort, als er sich nach was Neuem umsah», meinte Barry Meisner, der in der Versicherungsbranche war, «und das wäre in meinen Augen durchaus in Ordnung. Ich sage euch offen, ich bin für den Knaben. Ich würde genauso handeln wie er, das sehe ich direkt vor mir. Bei mir hat’s auch Situationen gegeben, wo ich ein Geschäft in Aussicht hatte, und das ging dann durch ein Missverständnis, an dem eigentlich keiner schuld war, in die Binsen. Was blieb mir dann anderes übrig, als die ganze Sache noch mal neu zu überdenken und von ’ner ganz anderen Ecke her ranzugehen? Das haben wir doch alle schon mal erlebt. Und dann macht man auf die neue Tour weiter, und sehr oft entwickelt sich die Geschichte sogar besser, als wenn’s nach dem ursprünglichen Konzept gegangen wäre. Deshalb kann ich mich auch gut in seine Lage versetzen. Ich kann mir genau vorstellen, wie ich mir alles austüftele, um mich in dieser Versammlung hier richtig einzuführen. Ja, ich hätte mir so ziemlich die gleiche Marschroute wie er zurechtgelegt.»
«Hm, vielleicht ist es gerade das, was mich stört», beharrte Bookspan. «Ich meine, es ist schon so, wie du sagst. Wenn ich irgendeinem großen Laden, bei dem ich noch nie vorgesprochen habe, ein paar hundert Regenmäntel verkaufen wollte, würde ich’s auch auf die Tour machen. Und dann hoffentlich ebenso geschickt wie dieser Knabe.»
«Na und?»
«Na, das ist gerade die Schwierigkeit bei ihm – er ist genau wie wir.»
«Also sind wir wieder da, wo wir angefangen haben. All das kostet Zeit, und die haben wir nicht allzu reichlich», bemerkte Raymond. Die Jungen waren zwar das Salz der Erde, aber manchmal schwer zu einer Entscheidung zu bewegen, vor allem wenn er versuchte, völlige Übereinstimmung zu erzielen. Uneinigkeit, bei der eine Gruppe die andere niederstimmte, hatte seiner Meinung nach nur Ressentiments zur Folge.
«Stimmt schon, aber wir können doch nicht einfach irgendjemand nehmen», sagte Bookspan.
«Warum eigentlich nicht? Es ist doch nur für drei Monate.»
«Es könnte aber auch für sehr viel länger sein, wenn der Rabbi beschließt, nicht zurückzukommen.»
Jetzt sah sich Geoff Winer veranlasst, einzugreifen. Er hatte seine Firma, Winer Electronics, erst vor kurzem in der Gegend etabliert. Bert Raymond hatte die juristischen Angelegenheiten für ihn erledigt und ihn bewogen, der Gemeinde beizutreten. «Hört mal zu, Leute, ich bin noch neu hier, aber glaubt ja nicht, dass ich eure Aufforderung nicht zu schätzen weiß, in dieser Kommission zu sitzen. Ich bin nur der Meinung, wenn ihr mir das nicht übel nehmt, weil ich doch neu bin und so weiter – also ich finde, wir packen die Sache falsch an. Ich will damit sagen, wir suchen nach dem falschen Mann. Nehmt ihr einen jungen Rabbi, dann muss was bei ihm nicht in Ordnung sein, sonst würde er sich nicht für eine Vertretung interessieren, bei der er nicht mal weiß, wie lange sie dauert. Und ein Mann in mittleren Jahren hätte wiederum eine Stellung und würde sie nicht aufgeben, um einen zeitlich befristeten Job anzunehmen, es sei denn, er ist keine Leuchte und befürchtet, rausgeschmissen zu werden. Deshalb finde ich, wir sollten uns nach einem älteren Mann umsehen.
Der Rabbi der Synagoge in Connecticut, in die ich immer gegangen bin, solange ich dort wohnte, ist gerade in den Ruhestand getreten. Er war dreißig Jahre lang in derselben Gemeinde und hat mich übrigens getraut. Man hat ihn sozusagen emeritiert. Ihr dürft euch aber unter Rabbi Deutch keinen alten Knacker vorstellen, der am Stock geht. Er ist fünfundsechzig und spielt besser Golf als ich.»
«Hat er ’nen Akzent oder so? Ich meine, spricht er gut Englisch, oder gehört er zu denen von der alten Schule?», erkundigte sich Drexler.
«Ob sein Englisch gut ist? Ich wünschte, ich würde so sprechen wie er. Er ist hier geboren und sein Vater auch. Ich glaube, sogar sein Großvater, vielleicht ist der aber auch als kleines Kind hergekommen. Er ist mit den Deutchs aus New York verwandt, ihr wisst schon, den Bankiers.»
«Wieso ist er dann Rabbi
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