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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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sich auch eher was mit Atmosphäre, persönlichen Eindrücken und Beobachtungen, Lokalkolorit und so vorgestellt. Natürlich könnte er nur das normale Zeilenhonorar zahlen. Keine Ahnung, wie viel das ist – wahrscheinlich nicht gerade üppig, und natürlich kann er nicht versprechen, was zu drucken, bevor er’s gesehen hat. Aber in meinen Augen ist es wichtig, dass Ihr Name im Gespräch bleibt.»
    «Ich verstehe», sagte Rabbi Small. «Na, danken Sie ihm bitte in meinem Namen. Und Ihnen danke ich auch.»
    «Machen Sie’s?», erkundigte sich Ben hoffnungsvoll.
    «Das kann ich erst entscheiden, wenn ich dort bin.»
    «Wirklich, ich finde, Sie sollten es versuchen, Rabbi», sagte Gorfinkle, der seine Enttäuschung kaum verbergen konnte.
    «Ich verstehe, Mr. Gorfinkle.»
     
    Jacob Wasserman, der über siebzigjährige Begründer des Tempels, etwas schwächlich schon und mit pergamentartiger Haut, kam ihn besuchen. «Gescheit von Ihnen, jetzt zu fahren, Rabbi, solange Sie jung sind und es genießen können. Mein ganzes Leben lang hab ich mir fest vorgenommen, nach Israel zu gehen, und immer kam was dazwischen, sodass ich nicht weg konnte. Und jetzt, wo ich praktisch ständig unter ärztlicher Aufsicht bin, ist’s zu spät.»
    Der Rabbi führte ihn zu einem Sessel und machte es ihm bequem.
    «Sie haben dort auch Ärzte, Mr. Wasserman.»
    «Sicher. Aber für eine solche Reise braucht es mehr als nur den Wunsch. Da muss man mit dem ganzen Herzen dabei sein. Und so, wie’s jetzt mit mir steht, ist ein kleiner Spaziergang oder eine Stunde Autofahrt mit meinem Sohn oder ein Besuch von Becker schon genug. Aber ich bin glücklich, dass Sie fahren.»
    Der Rabbi lächelte. «Also gut, ich werde versuchen, es für uns beide zu genießen.»
    «Fein, Sie sind dann mein Abgesandter. Sagen Sie mir, Rabbi, kennen Sie diesen Mann, der Sie vertreten soll, diesen Rabbi Deutch?»
    «Ich bin ihm nie begegnet, hab aber von ihm gehört. Er hat einen sehr guten Ruf. Nach dem, was ich weiß, kann sich die Gemeinde glücklich schätzen, ihn zu bekommen.»
    Der alte Mann nickte. «Vielleicht wäre jemand weniger Gutes besser gewesen.»
    «Wie meinen Sie das, Mr. Wasserman?»
    «Na ja, es gibt Parteien, Cliquen, was brauche ich Ihnen zu erzählen?»
    «Ja, ich weiß», sagte der Rabbi ruhig.
    «Und wie lange bleiben Sie?»
    «Drei Monate auf jeden Fall. Vielleicht länger.»
    Wasserman legte die blaugeäderte Hand auf Smalls Arm. «Aber Sie kommen zurück?»
    Der Rabbi lächelte. «Wer kann wissen, was morgen geschieht, geschweige denn in drei Monaten?»
    «Aber im Augenblick haben Sie vor, zurückzukommen?»
    Seine Beziehung zu dem alten Mann war so, dass er ihm weder ausweichen noch ihn beschwindeln konnte. «Ich weiß es nicht», antwortete er. «Ich weiß es wirklich nicht.»
    «Aha, das habe ich befürchtet», sagte Wasserman.
     
    Hugh Lanigan, der Polizeichef von Barnard’s Crossing, erschien. «Gladys hat mich gebeten, ein kleines Geschenk für Ihre Frau vorbeizubringen.» Er legte ein hübsch eingewickeltes Päckchen auf den Tisch. «Darüber wird sich Miriam bestimmt sehr freuen.»
    «Und hören Sie, falls Sie sich Sorgen machen, weil das Haus die ganze Zeit über leer steht … ich hab veranlasst, dass die Patrouille und der Streifenwagen alles regelmäßig kontrollieren.»
    «Herzlichen Dank, Chief. Ich hatte vor, einen Schlüssel im Revier vorbeizubringen und Bescheid zu sagen, wenn wir losfahren.»
    «Ich glaube, irgendwann mussten Sie diese Reise machen.»
    «Müssen?» Der Rabbi machte ein erstauntes Gesicht.
    «Na ja, ich meine wie ein Priester, der nach Rom fährt.»
    «Ach so. Das stimmt schon in etwa, es ist nur noch mehr dran. Tatsächlich ist es bei uns ein religiöses Gebot, und zwar für alle Juden, nicht nur für Rabbiner.»
    Lanigan konnte noch nicht ganz folgen. «Wie ein Mohammedaner, der nach Mekka geht?»
    «N-nein, nicht direkt. Es sind keine besonderen Gnadenwirkungen damit verbunden, keine besonderen religiösen Gesichtspunkte.» Er überlegte. «Es zieht einen einfach dort hin, so etwa wie ich mir vorstelle, dass es eine Brieftaube zu ihrem Ausgangspunkt zieht.»
    «Ich verstehe», sagte der Polizeichef. «Aber vermutlich hat nicht jeder von Ihnen dieses Gefühl, sonst würden doch viel mehr hinfahren.»
    «Viele Brieftauben kehren auch nicht zurück, nehme ich an.» Er versuchte es noch einmal. «Schauen Sie, unsere Religion ist nicht einfach ein System aus Glauben oder Ritual, das jeder annehmen kann. Sie

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