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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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besteht sogar die Aussicht, dass man ihn bittet zu bleiben.»
    «Oh, das ist gut.» Sie fixierte ihn über den Glasrand hinweg. «Und wie ist’s dir immer ergangen?»
    «Bestens. Du weißt, dass ich vom Funk weg bin?»
    «Ich hab’s gehört. Wieder Ärger mit Ryan?»
    «Nicht direkt.» Er stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu wandern. «Ich hatte einfach die Nase voll. Was ist das für ein Leben – du rast durch die Gegend, manchmal um die halbe Welt, nur um Nachrichten zu senden, die deine Hörer schon in ihren Zeitungen gelesen haben!»
    «Aber du hast doch auch Neues gebracht», wandte sie ein. «Du hast wichtige Leute interviewt, hohe Regierungsbeamte.»
    «Sicher», entgegnete er kurz. «Und sie haben nie etwas geäußert, das man nicht längst als offizielle Regierungspolitik kannte.» Er setzte sich wieder. «Ich habe einen Job beim Schulfernsehen in Aussicht. Liegt zwar auf derselben Linie, aber man hat viel mehr Freiheit zu kommentieren und Zusammenhänge aufzuzeigen. Und in der Zwischenzeit schreibe ich ein Buch für Dashiel and Stone.»
    «Wunderbar. Hast du einen anständigen Vorschuss bekommen?»
    Typisch für sie, dachte er, zuerst nach den finanziellen Vereinbarungen zu fragen und nicht nach dem Thema. «Es reicht kaum zur Deckung der Spesen.»
    «Ach.»
    «Es dreht sich um ein Buch über öffentliche Meinung», fuhr er fort, «über das, was der Mann auf der Straße wirklich denkt.»
    «Das hast du doch alles schon im Fernsehen gemacht.»
    «Nein.» Er erwärmte sich jetzt für den Gegenstand. «Damals wussten die Leute, dass sie interviewt wurden. Aber ich verwende ein Mikrophon am Revers und ein Taschentonbandgerät. Nehmen wir an, ich bin in einem Restaurant, und das Paar am Nebentisch hört sich interessant an. Ich stelle einfach das Tonband an und nehme ihre Unterhaltung auf. Nachher kann ich’s abspielen und auswerten, wie’s mir passt.»
    «Das gibt sicher ein interessantes Buch», meinte sie höflich.
    Er trank aus und stellte das Glas auf das Tischchen neben seinem Sessel.
    «Noch einen?», fragte sie.
    «Nein, ich glaube nicht. Danke.» Er lehnte sich zum ersten Mal entspannt zurück und schaute sich um. «Ich brauche nicht zu fragen, wie’s dir geht. Du siehst wunderbar wie immer aus.»
    Mit einem schnellen, prüfenden Blick suchte sie zu ergründen, ob hinter dieser Bemerkung mehr steckte als liebenswürdige Galanterie. «Ich muss ziemlich schuften», sagte sie.
    «Da kann ich nur sagen, es bekommt dir, Laura.» Er wies mit dem Kopf zur Wand. «Ein neues Bild, nicht wahr?»
    «Hm. Ein Josiah Redmond. Er entwirft eine Titelseite für uns. Das Bild gehört mir nicht – noch nicht. Ich möchte es erst mal eine Weile hier hängen haben und dann sehen, ob ich es kaufe.»
    Er kannte Redmond dem Namen nach. Er jagte dem Erfolg nach, beruflich und privat, und seine Bilder waren teuer. Stedman wollte sie scherzhaft fragen, ob sie es mit dem Maler genauso mache wie mit dem Bild, unterließ es jedoch lieber. Es würde schroff und bitter herauskommen, das wusste er. Zudem konnte sie es sich sehr wohl leisten, das Gemälde auf die übliche Weise zu erwerben. Als Ressortchefin von Co-ed musste sie ein gutes Gehalt beziehen. Deshalb nickte er nur und konzentrierte sich auf das Bild, während er darauf wartete, dass sie ihm sagte, warum sie ihn brieflich so dringend um eine Zusammenkunft gebeten hatte.
    «Ich muss dich sehen», hatte sie geschrieben. «Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir über Roys Zukunft sprechen. Ich bin äußerst beunruhigt …» Zwei Seiten lang ging das so, und in jedem Satz war mindestens ein Wort unterstrichen. Auch ihre Sprechweise war ähnlich, was er im Anfang ihrer Beziehung seltsam anziehend gefunden hatte, weil es irgendwie atemlos, erregt wirkte, ein faszinierendes Stakkato. Später war es ihm dann etwas peinlich forciert erschienen.
    «Ich habe einen Brief von Roy bekommen», begann sie.
    «Ach, tatsächlich – er schreibt dir?» Und diesmal machte sich die Bitterkeit Luft. «Ich hab nichts mehr von ihm gehört, seitdem er nach Israel gegangen ist.»
    «Vielleicht wenn du ihm schreiben würdest …»
    «Ich hab ihm zweimal geschrieben. Soll ich das etwa fortsetzen in der Hoffnung, dass er klein beigibt und antwortet?»
    «Tja, er ist unglücklich. »
    «Das ist nichts Neues. Er war unglücklich auf dem College. Seine gesamte Generation ist unglücklich.»
    «Er möchte nach Hause kommen», fuhr sie fort.
    «Und warum tut er’s nicht?»
    «Soll er ein

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