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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ganzes Studienjahr verlieren? Wenn er jetzt zurückkommt, werden ihm die Vorlesungen, die er an der Universität belegt hat, nicht angerechnet.»
    «Das ist den jungen Leuten heutzutage doch egal», entgegnete Stedman. «Sie wechseln die Hauptfächer und das College wie ich meine Schuhe. Und wenn sie fertig sind, wollen sie nichts tun oder sind nicht darauf vorbereitet. Worüber ist er unglücklich? Handelt sich’s um ein spezielles Mädchen oder ganz allgemein um den Zustand der Welt?»
    Nervös zündete sich Laura eine Zigarette an. «Ich begreife nicht, wie du so leichtfertig darüber reden kannst! Immerhin geht es um deinen Sohn!»
    «Mein Sohn!», explodierte er. «Vermutlich habe ich ihn gezeugt, aber ich wüsste nicht, dass ich danach irgendetwas mit ihm zu tun gehabt hätte.»
    «Daniel Stedman, du weißt genau, dass ich mit dir immer alles besprochen habe, jeden Schritt, der zu überlegen war, ob Schule oder …»
    «Ja, ja, schon gut», seufzte er. «Lass uns nicht wieder davon anfangen. Was soll ich also tun?»
    «Ich denke, du könntest ihm einen energischen Brief schreiben», sagte sie und drückte ihre Zigarette aus. «Du musst ihm klar machen, dass er zu bleiben hat, bis das Jahr um ist, andernfalls würdest du ihm den Zuschuss streichen.»
    «Verstehe. Ich soll den gestrengen Vater herauskehren.»
    «Strenge gehört mit zu den Pflichten eines Vaters», erklärte sie steif.
    «Und das wird ihn glücklich machen?»
    «Zumindest könnte es ihn davon abhalten, etwas Törichtes zu tun.»
    «Ich weiß was Besseres.» Er stand auf. «Ich fahre rüber und besuche ihn.»
    «Aber du kannst doch nicht so mir nichts, dir nichts abhauen und um die halbe Welt fliegen.» Dann merkte sie, dass er lächelte. «Ach so, du wolltest sowieso nach Israel?»
    Er nickte. «Das Buch behandelt die öffentliche Meinung in Israel.»
    «Wann fliegst du?»
    «Morgen. Ich habe einen Flug nach Zürich bei der Swissair gebucht.»
    «Nicht El Al? Es heißt doch, das ist sicherer, weil sie stärkere Sicherheitsmaßnahmen haben.»
    «Die Maschinen sind dafür auch viel stärker besetzt. Außerdem ist’s eine lange Strecke, und ich möchte gern unterbrechen. Mit der Swissair habe ich die Zwischenlandung in Zürich.» Er war bemüht, seine Stimme beiläufig klingen zu lassen.
    «Zürich?» Ein rascher, prüfender Blick. «Du bist doch nicht in irgendwas verwickelt, oder?»
    «Verwickelt?» Er lachte. «Wie meinst du das?»
    «Ich mache mir immer noch Gedanken um dich, Dan», sagte sie.
    Er zuckte leicht verärgert die Achseln. «Nicht dabei! Ich fliege von dort direkt nach Israel weiter.»

8
    Von ihrem Büro im fünften Stock des Krankenhauses konnte Gittel Schlossberg von der Fürsorge-Abteilung einen Großteil der Dächer von Tel Aviv überblicken. Auf allen waren die schwarzen Glasplatten in einem Winkel von fünfundvierzig Grad hochgestellt, wodurch die Sonnenhitze eingefangen und die Warmwasserversorgung der Wohnungen gewährleistet wurde. Ein großes Gebäude versperrte ihr die Aussicht auf das Meer. Doch sie wusste, es war da, und manchmal meinte sie, das Rauschen der Brandung über den Verkehrslärm hinweg zu hören. Sie freute sich an der Aussicht aus ihrem Fenster genauso, wie sie es genoss, durch die engen, belebten Straßen zur Arbeit zu fahren, vorbei an den Häuserreihen mit dem fleckigen, abbröckelnden Verputz – nicht weil es ein hübscher Anblick war, sondern weil es Fortschritt und Wachstum anzeigte. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens in dieser Stadt verbracht und konnte sich an die Zeit erinnern, als es zwischen den Häusern noch viel freien Raum und Gärten gab. Doch so wie jetzt war es ihr lieber – zusammengepfercht und überfüllt, jedes Stück Boden nutzbar gemacht, immer mehr ständig wachsende Vororte. Das bedeutete, dass der Zustrom von Menschen unaufhörlich weiterging: sie ließen sich hier nieder, arbeiteten und machten die Stadt wohlhabender und stärker. Und als sie Miriams Brief las und dabei in ihrem Drehstuhl wippte, hatte sie Tagträume: Ihre Nichte kam mit ihrer Familie; es war zwar als Besuch geplant, aber vielleicht konnte sie die Smalls zum Bleiben überreden.
    Manche ihrer Kolleginnen nahmen Anstoß an Gittel Schlossbergs unorthodoxen, rein pragmatischen Arbeitsmethoden. Wenn sie zum Beispiel für einen ihrer Schützlinge eine Stellung suchte, scheute sie nicht davor zurück, einen eventuellen Arbeitgeber durch sanfte Erpressung unter Druck zu setzen und so zum Ziel zu gelangen. Und da

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