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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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dir ein halbes Dutzend zur Auswahl geben können, aber du sagst ja, sie wollen im Januar kommen. Wer hat schon um diese Jahreszeit eine möblierte Wohnung zu vermieten? Ich hab letzte Woche eine vermittelt, aber das war für ein volles Jahr. Und der Preis, den sie bezahlen können, kommt überhaupt nicht infrage. Wenn du meinen Rat hören willst, schaust du dich nach einer Unterkunft in einem Hospiz in der Altstadt oder in einem der Klöster um, die Touristen aufnehmen. Natürlich – falls ich was hören sollte …»
    Gittel wusste selber, dass Talpioth und Rechavia die beliebtesten Gegenden der Stadt und daher teuer waren, aber sie war sicher, dass nichts anderes in Frage kam. Sie kannte zwar ihre Nichte nur von Schnappschüssen und Fotos, die ihre Schwester im Lauf der Jahre aus New York geschickt hatte, und Rabbi Small lediglich von dem Hochzeitsbild, trotzdem war sie fest davon überzeugt, dass sie genau wusste, was für eine Wohnung sie haben wollten. Schließlich kannte sie ja ihre Schwester und ihren Schwager, und damit stand nach ihrer Logik für sie auch fest, wie deren Tochter geartet sein musste und was für einen Mann sie sich ausgesucht hatte.
    Gittel lehnte sich in ihrem Drehstuhl zurück, schloss die Augen und ließ sich die Sache durch den Kopf gehen. Und da fiel ihr Mrs. Klopchuk ein, die sie aus beruflichen Gründen erst am Vortag gesehen hatte. Wenige Minuten später verließ sie ihr Büro und eilte zu ihrem Wagen auf dem Parkplatz, einem zehn Jahre alten Renault, der sich auf Bitten und Verwünschungen hin auch in Bewegung setzte, sofern sie nicht vergessen hatte zu tanken. Diesmal sprang er ohne Schwierigkeiten an, was sie als gutes Omen nahm. Wenn Gittel in Aktion war, existierte für sie allerdings kein schlechtes Omen.
    Eine Viertelstunde später trank sie in der Wohnung von Mrs. Klopchuk die obligate Tasse Kaffee, ohne die jeder gesellige Umgang in Israel undenkbar wäre. «Ich habe nochmal über Ihr Problem nachgedacht und allmählich Zweifel bekommen, ob Ihre Idee» – natürlich war es Gittels eigene gewesen –, «Ihr freies Zimmer an ein Mädchen vom College zu vermieten, wirklich so gut ist. Bedenken Sie, das Geld, das sie Ihnen zahlen kann …»
    «Aber das Geld spielt doch keine Rolle, Mrs. Schlossberg», wandte Mrs. Klopchuk ein. «Ich hab Ihnen ja gesagt, mir geht es hauptsächlich darum, dass mir jemand Gesellschaft leistet und bei der Hausarbeit hilft; dafür biete ich ein Zimmer und volle Verpflegung.»
    «Na ja, gerade das macht mir eben Kopfzerbrechen. Was können Sie denn schon von so ’nem Ding vom College an Gesellschaft erwarten? Und wie viel Hilfe werden Sie kriegen? Am Schluss kommt’s darauf hinaus, dass Sie das Mädchen bedienen. Einen Abend hat sie ’ne Verabredung, am nächsten muss sie sich auf ’ne Prüfung vorbereiten oder eine Arbeit schreiben. Und was sagen Sie? Sie sagen: ‹ Schon gut, dann wasche ich eben ab. Und Sie lernen schön.› Und wenn Sie feststellen, dass sie keine besonders gute Hausfrau ist, setzen Sie sie dann wieder auf die Straße? Sie wissen doch genau, dass Sie das nicht übers Herz bringen.»
    «Und was soll ich tun? Eine bezahlte Hilfe kann ich mir nicht leisten.»
    «Was ist denn mit Ihrer Schwester in Jerusalem?»
    Mrs. Klopchuk schüttelte eigensinnig den Kopf.
    «Und warum nicht?», beharrte Gittel. «Sie ist immerhin Ihre Schwester. Wenn Sie Hilfe brauchen, kommt doch sie als Erste in Frage.»
    «Meine Schwester, Gott segne sie, ruft mich zu Rosch ha-Schana an und wünscht mir ein gutes neues Jahr. Nachdem mein Mann gestorben war und ihrer noch lebte, bin ich immer zu Pessach bei ihnen gewesen. Und damit hatte sich’s.»
    «Sie werden beide älter», sagte Gittel streng. «Ich kenn doch diese Familienkräche. Einer sagt was, der andere antwortet, und schon spricht man nicht mehr miteinander, und wenn sich’s gar nicht umgehen lässt, tut man’s möglichst kühl und förmlich. Und meistens weiß keine der beiden Parteien, wie das Ganze eigentlich gekommen ist. Haben Sie so ’ne große Familie, dass Sie sich’s leisten können, mit einer Schwester auf schlechtem Fuß zu stehen?»
    Wieder schüttelte Mrs. Klopchuk den Kopf.
    «Überlegen Sie doch mal, wie großartig sich das arrangieren ließe», stieß Gittel nach. «Sie könnte ihre Wohnung in Jerusalem vermieten und sich hier mit Ihnen in die Unkosten teilen. Sie ist schließlich Ihre Schwester. Sie haben so vieles gemeinsam. Sie sind beide im gleichen Alter …»
    «Sie ist

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