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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ebenso scharf durchgreifen, wie in Jaffa und Tel Aviv.»
    «Nein», meinte Abdul. «So was ist hier in Jerusalem nicht möglich. Hier gibt’s zu viele Leute aus zu vielen Teilen der Welt …»
    «In Tel Aviv sogar noch mehr.»
    «Dort sind es lauter Geschäftsleute», erläuterte Abdul. «Die haben nur Interesse für ihre großen finanziellen Transaktionen. Hier in Jerusalem ist’s ’ne andere Art von Leuten – religiöse, gebildete, Wissenschaftler, Diplomaten, Schriftsteller, Journalisten –, die die Juden so schrecklich gern von ihrer liberalen und demokratischen Einstellung überzeugen möchten. Hier haben wir die große christliche Gemeinde mit ihren Verbindungen nach Europa und Amerika. Außerdem spricht sich hier alles, was passiert, sofort herum und kann nicht vertuscht werden. Glaub mir, mit den Methoden von Tel Aviv und Jaffa kommen sie in Jerusalem nicht so leicht durch. Hier können sie nicht Hunderte von unseren Leuten aufgreifen und tagelang verhören. Und außerdem – wenn er versetzt worden ist, bleibt er wahrscheinlich ’ne Zeit lang hier. Willst du, dass wir tatenlos abwarten bis zur nächsten Umbesetzung, bis jemand anders hergeschickt wird? Sollen wir uns zu Weibern machen lassen, nur weil ein Mann diesen Ruf hat? Ich bin jedenfalls gewillt, weiterzumachen, dem Schweizer Nachricht zu geben, ihn das Ding präparieren zu lassen. Ich bin bereit, nach dem ursprünglichen Plan zu verfahren.»
    «Und wir anderen?»
    Abdul lächelte. «Weitermachen, wie besprochen. Oder noch besser, ihr organisiert euch einen befreundeten Juden und seid mit ihm zusammen, wenn die Sache steigt.»

11
    Jonathan fand es offensichtlich herrlich; er sauste in der Abfertigungshalle der El Al-Gesellschaft herum oder baute sich vor einer alten Dame auf und sah gespannt zu, wie ihre zahlreichen Gepäckstücke kontrolliert wurden. Nach dem Flug von Boston nach New York fühlte er sich ganz als Weltreisender.
    Miriam hatte die gesamte organisatorische Arbeit übernommen und sich rechtschaffen abgeplagt. Da gab es zahllose Listen – was zu erledigen, was mitzunehmen, woran zu denken war. Jetzt auf dem Flugplatz, wo nun kein Irrtum mehr korrigiert werden konnte, beschloss sie, endlich zu entspannen und die Reise zu genießen. Inmitten von Mänteln und Taschen trank sie gelassen Kaffee aus einem Pappbecher. Erstaunlicherweise kümmerte sie sich nicht darum, wo Jonathan sich gerade herumtrieb; es lag daran, dass alle Fluggäste in der Halle ihr merkwürdig vertraut erschienen, irgendwie wirkte es fast wie ein Familientreffen, bei dem schon irgendjemand ein Auge auf ihn haben und aufpassen würde, dass ihm nichts Ernstliches passierte. Dieser familiäre Eindruck wurde noch erhöht, wenn ihr Mann sie von Zeit zu Zeit anstieß und ihr zuraunte: «Schau dir das Paar am Schalter an. Sieht er nicht genau wie Mark Rosenstein aus?»
    Der Rabbi zeigte als Einziger von ihnen Ungeduld. Je eher sie an Bord wären, desto schneller würden sie am Ziel ankommen, und er konnte nicht warten. Immer wieder sah er auf die Uhr, stand auf und wanderte in der Halle auf und ab, in der Hoffnung, dass damit die Zeit rascher verstrich. Am Fenster blieb er stehen und schaute ängstlich hinaus in den Schneesturm; womöglich könnten sie nicht starten? Doch dann richtete er sich bei dem Gedanken auf, dass es in Boston nicht anders gewesen war und sie trotzdem keine Verspätung gehabt hatten.
    Endlich kam die Ankündigung über den Lautsprecher, wie jede erst in Hebräisch und dann in Englisch, dass die Reisenden sich an Bord des Flugzeugs begeben sollten. Hastig rafften sie ihre Gepäckstücke an sich und stellten sich, Jonathan an der Hand, in der Reihe an. Ihre Handtaschen wurden kontrolliert, und dann bildeten sich zwei Schlangen, eine für Männer und eine für Frauen.
    Jeder Einzelne wurde in einer Kabine zuerst mit einem elektronischen Gerät auf versteckte Metallgegenstände abgesucht und danach mit der Hand abgetastet. Der Rabbi kannte diese Prozedur aus Fernsehkrimis, hatte sie aber noch nicht selber erlebt. Jonathan begann zu wimmern; das Abtasten erinnerte ihn an eine ärztliche Untersuchung, die gewöhnlich mit etwas Unangenehmem endete, zum Beispiel einem Nadelstich, doch sein Vater beruhigte ihn. «Es passiert überhaupt nichts, Jonathan, nicht das Geringste.» Als Miriam sich wieder zu ihnen gesellte, sagte er: «Wir wurden sehr gründlich durchsucht. Du auch?»
    Sie nickte. «Vermutlich dasselbe. Ein angenehmes Gefühl, dass sie alle

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