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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Jude.»
    «Davon hab ich keine Ahnung», sagte Roy. «Ich hab mich immer für ’nen Juden gehalten und meine Freunde auch. Und bis ich aufs College kam, waren alle meine Freunde Juden.»
    «Und hier genauso.»
    Roy lachte. «Stimmt. Im College und hier, aber das ist ja auch College.»
    «Richtig.» Abdul sah auf seine Armbanduhr. «Um acht bist du mit deinem Vater verabredet; du hast nicht mehr viel Zeit. Zieh dich lieber an.»
    Roy war verblüfft. «Wieso muss ich mich in Schale werfen, um mich mit meinem Vater zu treffen? Was hast du gegen meinen Aufzug?»
    Abdul – er war sechsundzwanzig und Roy achtzehn – schüttelte nachsichtig den Kopf. Roy trug eine blaue Drillichjacke und ausgeblichene, am Hosenboden abgescheuerte Jeans. Seine bloßen Füße steckten in Sandalen. Abdul konnte nicht begreifen, weshalb die amerikanischen Studenten sich wie arme Arbeiter, wie Fellachen anzogen, wenn sie Geld genug hatten, sich anständige Sachen zu kaufen. Er sonnte sich in dem Bewusstsein, ordentlich, ja sogar gut gekleidet zu sein in dem eng anliegenden schwarzen Kammgarnanzug, dem Hemd mit den langen, spitz zulaufenden Kragenenden und der breiten, farbenprächtigen Krawatte. Er saß da, die Beine vorgestreckt, und ließ die Füße auf den Absätzen kreisen. Wohlgefällig betrachtete er seine modischen italienischen Schuhe mit den großen Messingschnallen und bewunderte ihren spiegelnden Glanz.
    «Du verstehst das nicht, Roy. Du gehst ins King David , wo die Frauen selbst an heißen Tagen mit ihren Nerzstolen in der Halle rumlaufen. Dein Daddy hat wahrscheinlich vor, mit dir im Grill zu essen. Ich bin nicht mal sicher, ob sie dich reinlassen, so ohne Krawatte und Socken. Das Haar wird ihnen auch nicht passen, aber dagegen können sie nichts machen. Aber die Jacke und keine Krawatte …»
    «Ich ziehe mich an, wie’s mir passt», entgegnete Roy. «Und wenn’s denen nicht gefällt, müssen sie sich damit abfinden. Und mein Vater – wen will der eigentlich sehen? Mich oder irgendwelche Klamotten? Und der Ober – von solchen Typen darf man sich nicht rumschubsen lassen. Ich werd dir was sagen, Abdul, ein Mann muss er selber sein. Das ist das A und O.»
    Abdul zuckte die Achseln. Er wollte sich nicht mit diesem jungen Amerikaner streiten, um dessen Freundschaft er sich besonders bemüht hatte. «Vielleicht hast du Recht, Roy. Komm, ich begleite dich zur Bushaltestelle.»
    Sie standen dort im Bereich der Straßenbeleuchtung, und Abdul wartete, bis Roy eingestiegen war. Dann schlenderte er in die Dunkelheit davon, bis er hinter sich Schritte hörte. Er blieb stehen. «Bist du’s, Mahmud?», fragte er auf Arabisch. «Ich dachte, ich hätte dich schon vorhin mal gesehen. Spionierst du mir nach?»
    Der andere ging jetzt neben ihm. «Ich habe nicht spioniert. Mit wem du befreundet bist, ist deine Sache, solange wir anderen nicht reingezogen werden.»
    «Ich weiß, was ich tue», erklärte Abdul kurz.
    «Schon gut. Ich will mich nicht mit dir streiten, aber wenn du glaubst, du kannst die Juden hinters Licht führen, indem du dich mit einem von ihnen anfreundest …»
    «Ich will dir was sagen, Mahmud. Wir werden alle beobachtet, weil die Israelis wissen, dass wir alles tun, um sie zu schlagen. Aber sie hoffen, wenn sie uns freundlich behandeln, uns zum Beispiel ermuntern, die Universität zu besuchen, wird das einige von uns beschwichtigen und mit dem Gedanken aussöhnen, dass sie die Macht haben und vermutlich noch eine Weile behalten. Und wen werden sie nun schärfer beobachten – diejenigen, die sich abgefunden haben, oder die anderen, die stur bleiben? Und vergiss eines nicht – sie möchten so gern glauben, dass sie ein paar von uns für sich gewonnen haben.» Er lächelte. «Also helfe ich ihnen ein bisschen dabei. Roy ist jung und nicht besonders intelligent, dafür aber gut als Tarnung geeignet. Wenn du mir nicht nachspionieren würdest …»
    «Ich wollte dir was Neues mitteilen.»
    «Ja?»
    «Wir haben Nachricht aus Jaffa. Im Shin Bet hat’s eine Umbesetzung gegeben, und Adumi ist nach Jerusalem versetzt worden. Er ist jetzt hier. Man hat ihn gesehen.»
    «Das heißt?»
    «Das heißt, dass wir vielleicht eine Zeit lang leisetreten sollten und abwarten, was passiert», erklärte der andere ruhig.
    «Seit wann ist er hier?»
    «Wer weiß? Vielleicht seit Monaten.»
    Sie gingen schweigend weiter, und dann sagte Abdul: «Was macht das letzten Endes schon aus?»
    «Eine Menge. Wenn er hier der Boss ist, wird er hier bald

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