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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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sich in dem großen Raum um. In einer Ecke entdeckte er mehrere Paare an einem Tisch, und alle Männer trugen Jarmulkas.
    Er nickte. «Wer ist das? Gehören sie zum Kibbuz?»
    «Ja, es sind Mitglieder. Sie sind fromm. Dagegen hat keiner was, wir haben sogar eine eigene Küche für sie. Vor ein paar Jahren sind sie zu uns gekommen. Wir waren froh darüber. Damals war es ein bisschen gefährlich hier. Wäre es Ihnen lieber, mit ihnen zu essen?»
    «Nein, ich fühle mich hier durchaus wohl», sagte der Rabbi. «Aber hätten Sie was dagegen, wenn ich meine Jarmulke aufsetze? Ich bin es nun mal gewöhnt, und Jonathan braucht dann nicht zu fragen.»
    «Aber selbstverständlich.»
    «Und stört es Sie, wenn ich den Segen für den Wein und das Brot spreche?»
    «Nur zu, Rabbi. Ich verstehe das. Natürlich glaube ich nicht daran …»
    «Man zeigt damit die Dankbarkeit für die Speise, die man bekommt.» Er lächelte. «Die Fähigkeit, Dankbarkeit zu äußern, gehört zu den Dingen, in denen sich der Mensch von den niedrigeren Tieren unterscheidet. Gelegentlich sollte man das ruhig kundtun.»
    Itzical schüttelte den Kopf. «Ich sehe schon, Sie verstehen nicht viel von Tieren, Rabbi. Glauben Sie mir, sie können auch Dankbarkeit äußern.»
    Der Rabbi überlegte, nickte dann und lächelte. «Nun, es schadet auch nichts, gelegentlich die Ähnlichkeit mit den niedrigeren Tieren kundzutun.»
    Itzical lachte. «Sie sind goldrichtig, Rabbi. So oder so – Sie finden garantiert einen Vorwand, den Segen zu sprechen. Machen Sie nur. Ich stehe sogar dabei auf.»
    Als sie nach ein paar Tagen die lange Rückfahrt nach Jerusalern antraten, fragte Miriam: «Meinst du, du würdest gern in einem Kibbuz leben, David?»
    «Ja, ich denke schon. Gesetzt den Fall, wir blieben hier, würde ich das ernsthaft erwägen. Es hatte immer etwas Heroisches an sich, in einen Kibbuz zu gehen, und in manchen Teilen des Landes hat sich das vermutlich bis heute nicht geändert. Aber für die meisten scheint es auf rein wirtschaftlicher Basis das beste Geschäft im Land zu sein.»
    «Wie meinst du das?»
    «Na, du weißt doch, es ist nicht billig hier.»
    «Lebensmittel ja – zumindest sind bestimmte Dinge billiger als in den Staaten.»
    «Ja, aber alles andere ist wohl teurer – Wohnung, Kleidung, Autos, Elektrogeräte. Die meisten Leute haben das alles offenbar, auch wenn es bei den Gehältern unmöglich erscheint.» Er schüttelte den Kopf. «Wie die Menschen von ihren Gehältern leben – das ist das große Wunder von Israel! Ich frage jeden danach, ohne bis jetzt eine überzeugende Erklärung bekommen zu haben. Soweit ich feststellen kann, läuft es so: Du leihst dir Geld, um die Dinge zu kaufen, die du brauchst, etwa eine Wohnung. Und wenn du dann die fälligen Raten nicht bezahlst, ist es fast unmöglich, dich zu exmittieren. Also werden die nicht geleisteten Zahlungen auf den geschuldeten Betrag draufgeschlagen, und du wartest einfach ab, bis eine Abwertung kommt oder die Regierung ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, das dich entlastet. Na, und im Kibbuz brauchen sie sich über solche Dinge keine Gedanken zu machen. Für alles ist gesorgt, für sämtliche Ausgaben. Und es scheint ein gutes Leben zu sein. Ja, falls wir beschließen, uns hier niederzulassen, würde ich intensiv darüber nachdenken.»
    «Dann natürlich in einem religiösen Kibbuz», meinte Miriam.
    «Da bin ich nicht so sicher. Oder ich sollte vielleicht sagen, ich bin nicht so sicher, dass die areligiösen nicht in Wirklichkeit religiös sind. Der Sabbat, den wir gerade verlebt haben … weißt du, es könnte durchaus sein, dass er auf diese Weise gefeiert werden sollte. Und ich halte es sehr wohl für möglich, dass man in biblischen Zeiten die verschiedenen Festtage so gefeiert hat, wie man es heute in den areligiösen Kibbuzim tut. Manche sind doch Naturfeste, zum Beispiel Schawuot und Sukkot. Nun, die Menschen, die erdverbunden leben wie die Kibbuzniks, feiern sie wahrscheinlich auf die gleiche Weise wie ihre primitiven Vorfahren in biblischen Zeiten und aus dem gleichen Grund – weil sie mit der Natur zusammenhängen, mit der Ernte, mit den Jahreszeiten.»
    Sie hatten die Rieselfelder des Kibbuz verlassen und fuhren jetzt durch Ödland, ausgedörrter, steiniger, unfruchtbarer Boden, bis auf gelegentliche niedrige, staubige Sträucher, die den Verlauf eines Wadi markierten. Die grelle Sonne flirrte, hob das Bedrückende, Leblose der ganzen Szenerie noch hervor. Der Rabbi

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