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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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es ist Sabbat und wir verschieben es lieber auf nächste Woche, denkt er womöglich, ich will ihn vertrösten. Wissen Sie, ich bin fest überzeugt, das ist die Lösung für unser Problem.»
    «Sich seine Freundschaft zu erkaufen?»
    «Nein, natürlich nicht. Aber wann hab ich schon Gelegenheit, ihn zu sehen, während er auf der Universität ist? Vielleicht einmal wöchentlich zum Dinner. Und da muss er meistens früh weg. Aber wenn ich einen Wagen hätte, könnte er hin und wieder ein paar Tage freinehmen, und wir würden nach Galiläa oder in den Negev fahren. Wir würden uns oft sehen. Ich kenne überall im Land Menschen. Er hätte Gelegenheit, mit ihnen zusammenzukommen, mit Israelis also, und ihren Standpunkt verstehen zu lernen. Wenn er wieder in der Schule ist, hätte er eine ganz andere Einstellung zu den Dingen. Er würde …»
    Der Rabbi sah das Straßenschild. «Hier ist die Shalom Avenue.»
    «Gut. Wir treffen uns mit ihm vor dem Wohnblock. Noch ein ziemliches Stück hier runter. Sagen Sie, verstehen Sie was von Autos?»
    «Ich kann fahren. Das ist ungefähr alles.»
    «Wenn es Ihnen recht ist, sage ich einfach, wir waren schon länger verabredet, und Sie haben mich begleitet.»
    «In Ordnung.»
    Roy wartete schon und studierte die Tafel vor dem neuen Gebäude. Sie war groß und bereits stark verwittert. Darauf stand, die Resnik Construction Corporation errichte hier einen Komplex von Apartmenthäusern – Zentralheizung, Gasversorgung, Anschlüsse für Fernseh- und Radioantennen, Einbauschränke. Nach dem Entwurf des Architekten, der in einer Ecke der Tafel abgebildet war, waren sieben Eingänge auf der Kol Tov Street und die gleiche Anzahl auf der Mazel Tov Street vorgesehen. Die beiden Häuserreihen würden ein beträchtliches Gelände umfassen, das mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt und terrassiert werden sollte. Die geplanten Spazierwege waren markiert. Die Zeile mit dem ursprünglichen Bezugstermin war übermalt worden und lautete jetzt: SOFORT BEZIEHBAR.
    Der Rabbi sah sich um – auf das leere Gelände, das sie gerade überquert hatten, vier bis acht Quadratkilometer voller Steine und Kies, hin und wieder eine Grasnarbe oder ein niedriger Strauch auf dem gelben lehmigen Boden. Ein paar knorrige Olivenbäume mit krummen Ästen. Hinter dem Haus war noch ein solches Gelände; es wirkte etwas weniger bedrückend, da ein Beduine auf einem Stein saß und sein Mahl verzehrte, während seine kleine Ziegenherde an dem spärlichen Grün knabberte.
    Die Mazel Tov Street war ebenso wie die Kol Tov Street auf der anderen Seite des Komplexes noch nicht gepflastert, schmal und gefurcht.
    «Was war es – Nummer eins? Dann muss es unten am anderen Ende sein», sagte Roy. «Das hier ist Nummer dreizehn.»
    Vorsichtig bahnten sie sich ihren Weg über die Mazel Tov Street – sie verdankte ihre Bezeichnung als Straße zwei Pfaden, die eine Planierraupe gepflügt hatte –, hüpften von einer trockenen Stelle zur nächsten bis zu dem Erdwall am Ende. Sie spähten neugierig hinüber auf den darunter liegenden Fahrweg und gingen dann zurück zur Haustür.
    «Hier scheint niemand zu wohnen», meinte Roy.
    «Am Briefkasten ist eine Visitenkarte», bemerkte sein Vater. «Hier muss es sein.»
    Er klopfte an die Tür. Von drinnen rief eine heisere Stimme: «Kommen Sie rein. Die Tür ist offen.»
    Sie betraten einen großen, kahlen Raum. Ein paar Klappstühle, doch nichts weiter an Mobiliar – keine Tische, keine Teppiche, keine Vorhänge, keine Lampen. Die einsame Gestalt erhob sich nicht, sondern bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, sich zu setzen.
    Ein kleiner, magerer Mann, nahezu glatzköpfig. Er war mit Pyjama und Bademantel bekleidet. An seiner rechten Schläfe pulsierte die Ader wahrnehmbar, und auf dem darunter liegenden Wangenknochen zeigte sich in regelmäßigen Abständen ein Tic, den er anscheinend durch eine schnelle Grimasse unter Kontrolle halten konnte, indem er den rechten Mundwinkel verzog.
    «Haben Sie neulich im Laden nachgefragt?» Sein Hebräisch war heiser, guttural.
    «Stimmt», sagte Dan. «Mein Name ist Stedman, und das hier ist mein Sohn. Und dies mein Freund Small.» Angeborener Takt hielt ihn davon ab, die Berufsbezeichnung zu nennen.
    Auf einem schmalen Marmorsims in Schulterhöhe standen eine Flasche sowie ein paar Gläser. Memavet schenkte sich ein und sah dann seine Besucher fragend an. «Brandy? Leider ist das alles, was ich Ihnen anbieten kann.» Als sie kopfschüttelnd verneinten,

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