Am Montag flog der Rabbi ab
fuhr er fort: «Ich bin ein bisschen erkältet, und das hilft.» Seine Stimme klang wirklich sehr heiser, und er bekam einen Hustenanfall.
«Das hört sich ziemlich schlimm an», meinte Stedman.
«Ja, meine Nachbarin gegenüber – es geht ihr selber nicht gut – hat mir ihren Arzt empfohlen. Er stand in dem Verzeichnis meiner Kupat Cholim , also rief ich ihn an, und er sagte, er würde kommen – heute, morgen, vielleicht übermorgen, wenn er eben sowieso in der Gegend ist. Typisch Kassenarzt. Na, in diesem Land müssen Sie Geduld lernen. Meine Möbel, Teppiche, ein Sofa und ein paar Sessel, das hab ich vor über einem Monat bestellt, bevor ich eingezogen bin. Wenn ich sie in einem weiteren Monat kriege, hab ich Glück gehabt. Die Stühle, mein Bett und einen Küchentisch, die hab ich aus meiner alten Wohnung mitgenommen. Aber was interessiert Sie mein Zores. Sie wollen ein Auto kaufen. Sagen Sie mir, was Sie haben möchten, wie viel Sie anlegen wollen, und ich besorge es Ihnen.» Er hatte vom Hebräischen ins Jiddische gewechselt, und als er von Autos zu reden begann, ins Englische, das er stark akzentuierte, als wolle er damit sicherstellen, dass sie jedes Wort verstanden. Und dieses Schema behielt er bei – Hebräisch für allgemeine Fragen, Jiddisch für persönliche Angelegenheiten und Englisch, wenn er über Geschäfte sprach.
«Im Augenblick haben Sie keine Wagen vorrätig?»
«Nein, ich bin Makler. Sie wollen eine Wohnung oder ein Haus kaufen – was tun Sie? Sie gehen zum Makler. Sie erwarten doch nicht, dass ihm das Haus gehört. Mit Aktien und Wertpapieren ist’s das Gleiche. Wieso nicht mit Autos? In diesem Land ist das so. Da kommt ein Mann und will ein Jahr bleiben, nehmen wir an, ein Universitätsprofessor. Dann gibt’s einen Todesfall in der Familie, und er muss Hals über Kopf zurück nach England oder in die Staaten. Er hat keine Ahnung, wann er zurückkommt. Das Beste, was er tun kann, ist – er verkauft seinen Wagen. Bringt er ihn zu einem Gebrauchtwagenhändler, kriegt er einen Bruchteil des Wertes. Inseriert er in den Zeitungen, muss er wer weiß wie lange warten. Kommt er aber zu mir, kann ich ihn wahrscheinlich in ein bis zwei Tagen für ihn verkaufen. Und zu einem besseren Preis, als ihn der Gebrauchtwagenhändler bietet. Vielleicht nicht ganz so günstig, als wenn er ihn selber verkauft. Wie ich das mache? Man kennt mich. Es spricht sich rum. So kommen die Leute zu mir – die kaufen wollen und die verkaufen wollen. Man muss sie bloß zusammenbringen, die Käufer und die Verkäufer.»
«Gibt es im Gebrauchtwagengeschäft viele wie Sie?», fragte Roy.
«Ich kenne keine anderen, junger Mann. Und wenn, erwarten Sie etwa von mir, dass ich Ihnen ihre Namen gebe? Es dreht sich nicht immer um gebrauchte Wagen. Sie glauben gar nicht, wie oft ein Autohändler einen oder mehrere von seinen neuen Wagen mit einem beachtlichen Preisnachlass abstoßen muss – unter der Hand. Und wie sehr der Rabatt von seiner geschäftlichen Lage abhängt. Darüber bin ich auch im Bilde, versteht sich.»
«Haben Sie im Augenblick eine Information über einen neuen Wagen?», erkundigte sich Roy eifrig.
«Nein, im Augenblick nicht. Wie rasch wollen Sie ihn haben? Wie viel wollen Sie anlegen? Für welches Fabrikat interessieren Sie sich?»
Sie unterhielten sich eine Weile über Autos. Das Gespräch fand weitgehend zwischen Roy und Memavet statt, gelegentlich warf Dan Stedman eine Bemerkung ein. Sie erörterten die jeweiligen Vorzüge von Fiat und Peugeot, von Renault und Volkswagen; Motor und Benzinverbrauch; Preis und Wiederverkaufswert. Schließlich sagte Memavet: «Ich glaube, ich weiß, was Sie wollen, und ich hab eine Information über genau den richtigen Wagen für Sie. Kommen Sie heute Abend um sieben her, und ich werde was für Sie haben.»
«Wieso sind Sie da sicher?», fragte Dan.
«Wenn Sie so lange wie ich in dem Geschäft gewesen sind, dann kennen Sie Ihre Kunden», antwortete Memavet.
«Hatten Sie ursprünglich eine Autovertretung?», erkundigte sich der Rabbi, der gern mehr über diesen seltsamen Mann mit dem schroffen Gebaren wissen wollte. «Oder haben Sie gleich als Makler angefangen?»
Memavet schnitt ein Gesicht. «Ich kam in dieses Land ohne Geld, ohne Freunde oder Verwandte, die mir hätten helfen können. Ich kam nur mit dem, was ich auf dem Leibe hatte, und das waren praktisch Lumpen. Ich verstand was von Autos oder vielmehr von Benzinmotoren. Wäre ich gesund gewesen, wäre ich
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