Am Montag flog der Rabbi ab
brummte er gereizt.
«Dann wird es kein jüdischer Staat mehr sein.»
«Natürlich wird es ein jüdischer Staat sein, aber für alle Juden und nicht nur für euch paar. Aber zur Sache: Haben Sie was über Memavet erfahren?»
«Nein, aber ich bin sicher, dass der Anschlag ihm gegolten hat. Seine Geschäfte …»
«Faul? Gestohlene Autos? Hat er mit den Arabern zu tun gehabt?»
«Unseres Wissens nicht. Aber im Autohandel gibt’s immer unzufriedene Leute. Ein Kunde meint, man hat ihm Tinnef angedreht, ein Verkäufer findet, er hätte mehr für sich absahnen können. Oder er hat vielleicht das Gefühl, Memavet behält was für sich zurück. Er war schließlich Makler und hatte nur Anspruch auf eine Provision, nicht auf einen Profit.»
«Aber jeder, den Sie verhört haben, hat doch gesagt, dass er einen guten Ruf hatte, dass er ehrlich war.»
«Ja, aber …»
«Schon gut, ich will mich nicht mit Ihnen streiten. Gehen Sie dem ruhig nach, wenn Sie wollen, aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, Sie landen in einer Sackgasse. Der Universitätsprofessor …»
«Da haben wir einen Zusammenhang mit den Arabern festgestellt», sagte Ish-Kosher rasch.
«Sicher, aber für unsere Zwecke den falschen. Er wollte ihnen helfen. Er war ihr Freund.»
«Aber das ist es ja gerade», erklärte Ish-Kosher aufgeregt. «Sehen Sie …»
«Ich weiß, ich weiß. Die Terroristen wollen nicht, dass man ihren Leuten hilft. Diese ganze Theorie» – er winkte mit der breiten, sommersprossigen Hand ab – «ist eben weiter nichts als reine Theorie. So arbeiten die Terroristen nicht. Und so denken sie nicht. Das ist nicht arabische Denkweise. Ein Araber tötet einen anderen, darauf versucht die Familie des Opfers, sich zu rächen, indem sie den Schuldigen umbringt. Das ist verständlich. Und normal. Es ist nicht unsere Art, nicht die von zivilisierten Menschen, aber es ist verständlich. Können sie jedoch den Mörder nicht erwischen, nehmen sie Rache an einem seiner Familienmitglieder und legen einen Bruder, einen Onkel oder seinen Vater um. Das ist schon was anderes, verstehen Sie. Seit dem Sechs-Tage-Krieg wollen sie Rache. Das ist normal. Aber sie können sie nicht dadurch kriegen, dass jetzt ihre Armee die unsere besiegt, folglich ist es für sie ein annehmbarer Ersatz, wenn sie einen von uns umbringen. Wen? Das ist ihnen gleich. Es kann ein alter Mann sein wie Memavet und genauso gut Frauen oder auch Kinder.»
«Aber …»
Adoumi gebot ihm abermals mit erhobener Hand Schweigen. «Je mehr von uns sie töten können, desto besser natürlich. Und deshalb haben sie Sprengstoffanschläge auf Märkte, öffentliche Plätze und Gebäude verübt, wo viele Menschen sind und eine Menge verletzt werden können. Aber wir sind auf der Hut, und die Gefahr, geschnappt zu werden, ist groß. Also gehen sie eine Weile auf Nummer Sicher und suchen sich risikolose Ziele aus. Erwischen wir sie nicht, kriegen sie wieder Mut und probieren’s erneut mit öffentlichen Plätzen. Warum der Anschlag auf Memavet? Ich sag’s Ihnen: weil er ein leichtes Ziel war. Ein alter Mann, der allein in einem neuen Wohnblock lebt, der einzige Bewohner der Straße, und die ist dunkel. Sie können ungesehen da lang gehen …»
«Aber sie wurden gesehen. Der Doktor …»
«Der Doktor sah einen jungen Mann, der sagte, er hätte was Geschäftliches mit Memavet zu erledigen. Durchaus möglich. Nun könnte der junge Mann ja was gesehen haben. Könnte sich lohnen, ihn zu vernehmen.»
«Wieso haben Sie dann diesen Teil aus der Aussage des Arztes weggelassen, als wir sie den Reportern übergaben?»
«Weil ich es für besser halte, Chaim, wenn er von allein damit rausrückt. Das würde beweisen, dass er nichts mit der Sache zu tun hat. Er hat sich aber nicht gemeldet, und das legt wiederum die Vermutung nahe, dass er vielleicht nicht ganz unschuldig ist.»
«Oder dass er einfach da nicht mit reingezogen werden will», meinte Ish-Kosher.
«Es handelte sich um einen Terroristenanschlag. Jeder würde da behilflich sein wollen.» Adoumi schüttelte trübsinnig den Kopf. «Ich hab gepokert, als ich diesen Teil der Aussage der Presse vorenthielt.» Er wurde lebhafter. «Wenn er sich nicht gemeldet hat, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass er auch nicht aufgekreuzt wäre, wenn wir es erwähnt hätten. Es regnete, und er hatte den Mantelkragen aufgestellt. Er weiß, dass der Arzt ihn nicht wiedererkennen würde. Trotzdem wüsste ich gern was über ihn.»
Ish-Kosher lächelte breit.
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