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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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ist dieser Freund, Abner? Rabbi David Small … Erinnern Sie sich nicht? Er wohnt Victory Street Nummer fünf … Nein, er war der einzige nicht anwesende Mieter, als wir den Sprengstoffanschlag auf Carmi untersuchten.»

33
    Trotz seiner Jarmulke war Inspector Ish-Kosher nicht fromm, dafür jedoch sehr traditionsbewusst; er hatte eine genaue Vorstellung davon, wie ein Rabbi aussehen sollte, und Rabbi Small entsprach diesem Bild keineswegs. Ein Rabbi sollte einen Bart haben und dunkel gekleidet sein, am besten schwarz. Rabbi Small war glatt rasiert und trug hellgraue Sommerhosen und eine gestreifte Leinenjacke. Allermindestens sollte ein Rabbi nicht barhäuptig gehen; Rabbi Small hatte keinen Hut auf. Ish-Kosher empfand ein leises Widerstreben, als er dem Rabbi einen Stuhl anbot.
    Er blätterte in einer Akte, blickte dann auf und sagte freundlich: «Kürzlich haben wir in Ihrem Haus Erkundigungen eingezogen, ob jemand in einer bestimmten Nacht Besuch erwartet hat. Sie waren nicht daheim, aber Ihre Nachbarin, Mrs. Rosen, sagte, Sie seien gerade an jenem Tag angekommen, am späten Abend. Sie sagt, dass Sie ein Rabbi aus Amerika sind. Auf der kleinen Karte an Ihrem Briefkasten steht aber nur David Small. Sind Sie Rabbiner?»
    «Ja, allerdings.»
    «Und wieso steht auf der Karte nicht Rabbi David Small?»
    «Weil ich hier nicht Rabbi bin.»
    «Ein Arzt aus Amerika würde wahrscheinlich seinen Titel am Briefkasten beibehalten», meinte der Inspector.
    «Das ist nicht dasselbe. Der Arzt könnte vermutlich in einem dringenden Fall praktizieren, zum Beispiel bei einem Unfall.»
    «Das beweist großen Takt Ihrerseits, Rabbi. Zu welchen Rabbinern gehören Sie?»
    «Zu den konservativen. Ich bin Rabbi in einem konservativen Tempel in Amerika.»
    «Ist die Ausbildung bei einem konservativen Rabbi anders als bei einem von unseren?»
    «Nein, eigentlich nicht», entgegnete Rabbi Small. «Die Akzente sind etwas anders gesetzt, aber in der Arbeit selbst existiert ein Unterschied. Viele Ihrer Rabbiner hier sind weitgehend damit befasst, für die Einhaltung der Gesetzesvorschriften zu sorgen. Das ist bei unserer Arbeit selten der Fall. Sie ist vorwiegend dem seelischen und geistigen Wohl der Gemeinde gewidmet, in der wir angestellt sind.»
    «Aha.» Der Inspector lächelte plötzlich. «Nur der Ordnung halber und zur Vervollständigung unserer Akten … haben Sie am Abend Ihrer Ankunft jemand erwartet?»
    «Nein, niemand, von dem ich wüsste.»
    Ish-Kosher machte einen Vermerk, klappte den Aktendeckel zu und lehnte sich zurück. Abermals lächelte er liebenswürdig. «Hat Ihre Gemeinde Ihnen ein Sabbatjahr bewilligt, das Sie hier verbringen?»
    «Nein, ein Sabbatjahr würde ich es nicht nennen. Ich habe mich ein paar Monate beurlauben lassen.»
    «Aha, also Ferien. Und was treiben Sie so, Rabbi? Besichtigungen, Rundreisen? Studieren Sie vielleicht an der Universität?»
    «Nein, ich tue nicht viel; nur Urlaub machen, mich ausruhen.»
    «Von Ihrer anstrengenden Arbeit in Ihrer Gemeinde?» Er lächelte, aber in seiner Stimme schwang eine Spur Sarkasmus mit.
    «So was in der Art», sagte Rabbi Small gutmütig.
    «Es hat den Anschein, dass Sie nicht nur Urlaub machen von Ihrer Gemeinde und Ihrer Arbeit, Rabbi, sondern sogar von der Religion, zu der Sie sich bekennen.»
    «Was meinen Sie damit?», fragte der Rabbi erstaunt. «Wenn Sie darauf anspielen, dass ich nicht an jedem Sabbat in die Synagoge gehe …»
    «Ich beziehe mich darauf, dass Sie am Sabbat zu jemand gehen wegen eines Autokaufs, genauer zu einem gewissen Benjamin Memavet, auf dessen Wohnung ein Sprengstoffanschlag verübt wurde und der dabei ums Leben kam.»
    «Woher wissen Sie, dass ich hinging, um einen Wagen zu kaufen?»
    «Bitte, Rabbi», sagte Ish-Kosher vorwurfsvoll, «ich stelle hier die Fragen.»
    «Ich hatte eine Verabredung mit meinem Freund Dan Stedman, und er machte eine weitere mit seinem Sohn. Er wollte unbedingt, dass ich ihn kennen lerne, daher willigte ich ein, mitzukommen.»
    «Aber er wollte einen Wagen kaufen, ein Geschäft tätigen – und das am Sabbat. Wiederum frage ich, zu welcher Art von Rabbinern gehören Sie?»
    Die Abneigung zeigte sich jetzt unmissverständlich. Rabbi Small lächelte leicht. «Als Rabbi denke ich wie alle Rabbiner mehr über diese Dinge nach als der Durchschnittslaie wie Sie», begann er geduldig. «Festhalten an den traditionellen religiösen Bräuchen, zum Beispiel den Kopf bedecken oder sogar den Sabbat genau nach dem

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