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Am Montag flog der Rabbi ab

Am Montag flog der Rabbi ab

Titel: Am Montag flog der Rabbi ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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rabbinischen Gesetz begehen … all das tun wir zum Teil aus Gewohnheit, zum Teil, weil die Leute es von uns erwarten, und vielleicht auch, um anderen ein Beispiel für die Wahrung rabbinischer Tradition und rabbinischer Autorität zu geben. Meiner Meinung nach glaubt niemand, der darüber nachgedacht hat, tatsächlich, dass Gott das vom Menschen verlangt oder darüber erfreut ist. Bei Jesaja heißt es: ‹Bringet nicht mehr unnütze Gaben – ein Gräuelopfer ist es mir, spricht der Herr. Eure Neumonde und eure Feste hasst meine Seele.› Das ist sehr drastisch ausgedrückt, aber es lässt doch darauf schließen, wie der Gott Jesajas über Anpassung und religiöse Bräuche im Allgemeinen zumindest urteilen könnte.»
    «Der Gott Jesajas!» Ish-Kosher war schockiert. «Sagen Sie mir eins, Rabbi – glauben Sie an Gott?»
    «Ich nehme an, als Polizeibeamter möchten Sie ein Ja hören oder keine Antwort.»
    «Ich …»
    «Eine schwierige Frage», fuhr der Rabbi leichthin fort, «denn sie beinhaltet drei Variablen …»
    «Variablen?»
    «Natürlich. Sie fragen, ob ich an Gott glaube. Meinen Sie, zum augenblicklichen Zeitpunkt, oder mein Ich von gestern, oder das von vor drei Jahren? Und was meinen Sie mit ‹glauben›? Eine weitere Variable. Meinen Sie damit – auf die gleiche Weise, wie ich glaube, dass zwei und zwei vier macht? Oder auf die Weise, in der ich glaube, dass die Lichtgeschwindigkeit soundso viel Kilometer in der Sekunde beträgt, was ich selber zwar niemals demonstriert bekommen habe, was aber von Menschen bewiesen wurde, deren Befähigung und Integrität zu vertrauen ich gelehrt worden bin? Oder meinen Sie in dem Sinne, wie ich glaube, dass es einen Mann namens Washington gab, der die Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien von England errungen hat, oder in dem Sinn, wie ich glaube, dass ein Mann namens Moses dasselbe für die Juden im Falle Ägyptens getan hat? Wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie feststellen, dass es noch viel mehr Formen des Glaubens gibt, und alle unterscheiden sich etwas voneinander. Und schließlich die dritte Variable – Gott. Meinen Sie damit eine menschenähnliche Figur? Oder eine Wesenheit, einen Begriff, der sich nicht umschreiben lässt? Einen Gott, der von uns als Individuen weiß und auf unsere Bitten um Hilfe reagiert? Oder einen, der so hoch über uns thront, dass er kein Interesse an uns haben kann? Oder irgendeine der anderen Vorstellungen, die Menschen seit Jahrtausenden gehabt haben? Doch allgemeiner gesagt – vermutlich habe ich manchmal ein Gefühl von Glauben und Sicherheit und zu anderen Zeiten nicht, genau wie Sie oder der Oberrabbiner oder auch – der Papst.»
    Ish-Kosher starrte seinen Besucher an. Dann ordnete er sozusagen seine Streitkräfte neu und sagte förmlich: «Ich habe Sie nicht zu theologischen Diskussionen hergebeten …»
    «Ich habe mich schon gefragt, weshalb Sie mich zu kommen baten.»
    «Memavet hat eine Verabredung mit Ihrem Freund Stedman für den späteren Samstagabend getroffen. Ich möchte wissen, ob er sie eingehalten hat.»
    «Ich habe Mr. Stedman danach nicht mehr gesehen, aber ich erinnere mich, dass er zu seinem Sohn sagte, er habe nicht die Absicht, die Verabredung einzuhalten. Er wollte nicht übereifrig erscheinen. Ist das alles?»
    «Ja, das ist alles. Guten Tag.»
    «Mein Pass. Er liegt auf Ihrem Schreibtisch.»
    «Ach, ja. Hier ist er.» Ish-Kosher händigte ihn aus und blieb noch eine Weile stehen, nachdem der Rabbi gegangen war. Seine Finger trommelten nervös auf der Schreibtischplatte.

34
    Dem Rabbi war keineswegs entgangen, dass die Polizei irgendwie von seiner Anwesenheit bei Memavet erfahren haben musste. Und zwar entweder von Dan oder von Roy. Sollte Memavet, was unwahrscheinlich war, eine schriftliche Notiz über diese spätere Verabredung gemacht und die Polizei sie gefunden haben, so lautete sie fraglos auf den Namen Stedman. Es bestand keinerlei Grund für Memavet, seinen Namen ebenfalls zu notieren, da er ja offensichtlich nicht am Kauf eines Wagens interessiert war. Es war undenkbar – nun, fast undenkbar –, dass die Information von Dan stammte, denn er hatte ja seinen Vorschlag, sie sollten sich bei der Polizei melden, geringschätzig abgetan. Wenn er aber seine Meinung geändert hatte und doch hingegangen war, hätte er ihn dann nicht vorher angerufen? Andernfalls könnte es nur ein Versehen gewesen sein, oder er wollte ihn aus irgendeinem Grund in die Sache verwickeln. Und was für einen Grund

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