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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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Taschentücher zu holen. Und tatsächlich: Mitten im klaren Nachthimmel über dem Great Bear Lake kam ein kleines Mädchen auf die Welt.
    Als sie sich Yellowknife näherten, gähnte der Fluglotse im schläfrigen Flughafen, trank einen Schluck Kaffee und nahm die Radionachricht des ankommenden Kleinfliegers entgegen. Er schüttelte den Kopf, rieb sich die Augen, leerte den Kaffeebecher in einem Zug und fragte: »Wie bitte? Sagen Sie es nochmals bitte … die Passagierliste ist mitten im Flug um eine Person länger geworden?«
    Das Mädchen wurde später »Angel« genannt, da sie hoch oben in den Lüften »mit Flügeln« auf die Welt gekommen war.

Ankunft am Rand der Welt
    »Sie soll ganz weiße Haare haben, die sich biegen, stimmt das?«
    »Du meinst, sie hat blonde Locken?«
    »Warum hast du sie nicht mitgebracht, Minihitak?«
    »Ich hätte sie gerne mitgebracht, aber, wisst ihr, unsere Freunde in Coppermine brauchen sie dort, und außerdem wäre die lange Reise im Schnee für sie sehr anstrengend. Aber ihr kommt ja zu Weihnachten nach Coppermine. Ihr besucht uns im Missionshaus, oder?«
    Jack war mit Alfred nach einer der kürzeren Fahrten in Kikektanayuk angekommen, einer Siedlung nördlich von Coppermine, die sich vom Fisch- und Robbenfang aus der Dolphin and Union Straits ernährte.
    Eigentlich war der Gottesdienst schon in vollem Gange. Aber die Neugierde auf die frisch getraute Ehefrau des Minihitaks wollte nicht abreißen. Die Fragen prasselten nur so: Ob sie so groß sei wie er, ob sie einen Parka nähen könne und vor allem die alles entscheidende Frage, wer sie denn für ihn gefunden hätte. Jack seufzte und verabschiedete sich innerlich von seinen Plänen für Bibelarbeiten mit einleitenden Kleingeschichten, die er gründlich vorbereitet hatte, und von seiner Idee eines Abendmahls, die ihm auf der Fahrt hierher eingefallen war.
    »Wir lernten uns auf der Bibelschule kennen. Nein, nicht als Kinder. Bei uns in England läuft es anders. Felle nähen kann sie nicht, aber stricken kann sie. Stricken? Stricken ist, wenn du Wolle nimmst und mit zwei Nadeln so lange ineinanderknotest, bis ein Stück Stoff entsteht … Warum meine Frau hier leben möchte?«
    Endlich eine Frage, die irgendwo hinführt, dachte Jack.
    Durch das dunstige, gelbe Licht konnte er die Gesichtszüge seiner Zuhörer nicht ausmachen. Der Rauch einer Pfeife verlieh dem Nebel um den Kudlik herum einen grauen Anstrich und einen beißenden Geruch. Die Luft war verbraucht. Jack schossen immer wieder Tränen in die Augen. Er putzte seine Nase, wischte sich die Stirn ab und fing an zu reden. Endlich war es still im kleinen Schneeraum. Konzentrierte Blicke, verwitterte, runzelige Gesichter. Es ist schwer zu sagen, wie alt diese Leute sind, dachte Jack plötzlich. Jünger als sie aussehen, vermutlich.
    Das einzige Geräusch war das Schlürfen von warmem Tee. Das einzige Licht ein fader Wintermond, der durch zwei Eisfenster hereinstrahlte, und eine einzige Kerze, die auch als Leselampe für den Prediger diente. Jack öffnete seine Bibel, brauchte sie aber kaum.
    »Wir sind beide hier, weil wir Jesus dienen«, fing er an, »denn Christsein bedeutet, eine persönliche Entscheidung zu treffen, Jesus Christus zu folgen und ihm zu dienen.« Er wartete auf Alfreds Übersetzung. Es dauerte immer etwas, bis sie in einen Rhythmus kamen.
    »Wie die Kanaga Faluk. Sie fordert auch, dass wir ihr dienen«, bemerkte ein Großvater, der seine Pfeife kurz aus dem Mund nahm und nach seinem Satz wieder hineinsteckte.
    »Hilfe, das war doch nicht der beste Einstieg«, dachte Jack.
    »Sei doch ruhig, der Minihitak predigt«, zischte ihm ein junger Mann zu, der wohl sein Sohn war.
    »Wer ist denn Kanaga Faluk ? «, fragte Jack.
    »Wir hören nicht mehr auf sie«, wandte der junge Mann energisch ein, »der andere Minihitak erzählte uns, dass Gott gut ist. Kanaga Faluk wollte uns Böses antun!«
    Bald war ein lautstarkes Streitgespräch in vollem Gange.
    »Aber sie hat uns die Robben geklaut, weil wir böse waren«, betonte der alte Mann und fuchtelte mit seiner Pfeife in der Luft herum. Hoffentlich trifft er keinen, dachte Jack und wischte sich wieder seine Stirn ab.
    »Sie hat die Robben alle unter ihrer Schlafplattform in ihrem Iglu unter dem Meer versteckt, um uns zu strafen. Jemand hatte ein Tabu gebrochen und sie wollte uns vernichten.«
    »Das haben wir früher geglaubt«, sagte ein anderer Jugendlicher.
    »Lasst doch den Minihitak erzählen, er weiß von diesen

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