Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
Vom Netzwerk:
Garantie für das Überleben einer ganzen Lebensgemeinschaft im kommenden Jahr wie auch die Hoffnung auf den einen oder anderen kleinen Luxusartikel, der dieses ansonsten bescheidene Leben ein wenig versüßen würde.
    In der Zeit der ersten Missionare war das jährliche Andocken des Schiffs die einzige Verbindung zum Rest der Welt gewesen. Von der Post und den angesammelten Zeitschriften, die das Schiff lieferte, lebte man monatelang. So erfuhr Archibald Fleming, erster Missionar auf der Baffin-Insel Anfang des 20. Jahrhunderts, erst ein Jahr nach Kriegsanfang, dass der Erste Weltkrieg in Europa tobte. Ein halbes Jahrhundert später leisteten die Norseman-Flieger etwas Abhilfe. Wenigstens Post bekam man nun alle paar Wochen. Aber bis begehrte Pflaumen-, Erbsen- und sonstige Konserven auf Sperrys Esstisch landeten, hatten sie einen langen, verzwickten und nicht ungefährlichen Weg hinter sich, wurden aber dafür mit umso mehr Vergnügen verspeist.
    Wünsche nach Luxuswaren aus der zivilisierten Welt mussten spätestens im Januar abgegeben werden. Die Bestellungen wurden anschließend auf einem kleinen Flusskahn des Frachtunternehmens »Waterways« im Staat Alberta zusammengepackt. Dieser überquerte den Athabasca-See und fuhr den Slave-Fluss hinab. Die Ladung wurde anschließend von Lastenträgern um die Drowned-Stromschnellen herum von Fort Fitzgerald nach Fort Smith getragen und dann für die Schifffahrt über den Great Slave Lake auf einen weiteren Kahn geladen, den riesigen Mackenzie-Fluss hinunter, dann gen Norden nach Tuktoyaktuk an der arktischen Küste. Gute Eis- und Wetterbedingungen vorausgesetzt, brachte ein Schiff die gesamte Ladung schließlich zu den Siedlungen der Zentralarktis. Die Reisedauer betrug etwa sechs Monate, die Ankunft des Schiffs war meistens im späten Juli oder im August. Selbst im Juli konnte ein plötzlicher Schneesturm alle Pläne durcheinanderwirbeln. Coppermine war damals sicher einer der wenigen Orte in dieser Welt, an dem das Klappern der Ankerkette eines Schiffs kollektive Euphorie auslöste.
    »Ich hoffe, dass der Bischof an das Bauholz gedacht hat, Johnny. Wenn ja, dann ist unser neues Haus auf dem Schiff«, sagte Jack zu seinem Sohn, der auf seinen Schultern saß, um das sich nähernde Schiff besser sehen zu können.
    »Ich helfe bauen, Dad, du hast es versprochen! Können wir heute schon anfangen?«
    Möglich war dieses Gespräch durch die Genehmigung des Bischofsamtes geworden, ein neues Missionshaus zu bauen, denn das alte war einfach zu klein, und durch das Versprechen, das notwendige Bauholz zu liefern.
    »Klar hilfst du! Aber heute noch nicht. Wir müssen helfen, all die Sachen ins Dorf zu schleppen. Und du als großer Junge hilfst auch dabei mit.«
    Das Schiff dockte unter dem Jubel der wartenden Menschen am Steg an. Bald waren alle Mann an Deck oder unter dem Deck oder warteten auf dem Festland auf die endlose Reihe Kisten, Ballen, Säcke, Geräte und Koffer, die nacheinander hinausgereicht und von dankbaren Händen in Empfang genommen wurden. Eine Menschenkette bildete sich bis zum Dorf. Die eigene Vorfreude wurde kurz zurückgestellt, während die gesamte Ladung zugunsten des Allgemeinwohls in Sicherheit gebracht, sortiert und verteilt wurde.
    Berge von Konserven kamen ins Lagerhaus der Hudson Bay Company. Es war Coppermines Nahrung für ein ganzes Jahr. Kisten voller Spielsachen und Kleidungsstücke für das bevorstehende Weihnachtsfest wurden sorgfältig im Gemeindehaus gestapelt. Heizkohle, das wichtigste Gut von allen, wurde in die Kohlespeicher geschaufelt.
    »Eine Orange!«, rief Angela begeistert, als eine Kiste Lebensmittel mit dem Schild »Sperry« versehen, in die Küche getragen wurde. »Mom, kann ich gleich eine haben?«
    »Auf keinen Fall!«, kam die strenge Antwort. »Vielleicht zum Abendessen. Und wenn du Dad jetzt hilfst, die Kartoffeln hereinzuschleppen!«
    Der Anblick frischer Lebensmittel brachte ein Strahlen in Bettys Augen. Mitten in der Freude über eine frische Orange oder einen Sack Kartoffeln ergab sich auch manch eine Überraschung.
    »Oh wei, irgendjemand hat schon wieder versucht, Kohlköpfe mitzuschicken. Kein Wunder, dass die Kiste stinkt!«
    »Irgendwann erfindet jemand Kohlköpfe, die eine sechsmonatige Reise überleben können«, lachte Jack, »aber diese sind es ganz bestimmt nicht.«
    Das Holz war tatsächlich gekommen.
    »So, kleiner Johnny. Bald hast du nicht nur einen Zahnarzt, Postboten, Quatschkopf, Jäger, Fischer, Doktor und

Weitere Kostenlose Bücher