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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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Prediger als Vater, sondern auch einen Zimmermann. Eine Kirche bauen und erweitern können wir schon, aber ein Wohnhaus? Davon habe ich keine Ahnung, aber das kriegen wir irgendwie hin. Mit deiner Hilfe klappt es, da bin ich mir sicher.«
    »Keine Sorge, Dad. Ich bin dabei, versprochen!«
    So machte sich Jack zusammen mit einigen Mitarbeitern aus dem Dorf und mit Johnny natürlich so schnell wie möglich an die Arbeit. Spätestens wenn die ersten eisigen Winterwinde anfingen zu wehen, musste das Gebäude überdacht sein. Nicht nur auf dem Grundstück des neuen Hauses füllte sich die abkühlende Luft mit dem Lärm von Hämmern und Sägen. Zu dieser Jahreszeit waren die einfachen Baugeräte Coppermines im Dauereinsatz. Alle Baumaterialien mussten zielsicher bis zum Wintereinbruch verarbeitet sein. Bis die ersten Schneestürme über das Land wehten und die von Leben wimmelnde Landschaft in ein immenses, starres Schweigen einfrieren würde, mussten Schlitten und Zaumzeug geflickt und repariert, jedes Bauwerk versiegelt und gesichert sein. Zuletzt fehlte nur noch die obligatorische Schneeschicht zur Isolierung an den Außenwänden. Dann konnte der Winter kommen.
    So wurden alle Kräfte dafür eingesetzt, die Überlebensgrundlagen für die bevorstehende tödliche Kälte zu errichten.
    Die Tage wurden schnell kürzer. Anfang November verschwand die Sonne schon hinter dem südlichen Horizont. Sie würde sich erst spät im Januar wieder blicken lassen. Bis dahin galt jeder Lichtstrahl als Luxusware. Sechs Wochen lang würde fast komplette Dunkelheit herrschen.

Besuchsdienste und Winterstürme
    »Liebe Freunde,
der Winter hat uns mit voller Wucht eingeholt und die Vorbereitungen auf die Reisesaison sind in vollem Gange. Dieses Jahr wurden wir gebeten, eine bisher unbekannte Siedlung etwa 650 Kilometer südöstlich von Coppermine zu besuchen, nicht weit von der Baumgrenze. Die Strecke beträgt etwa 1 300 Kilometer hin und zurück. Besonders riskant ist sie, weil wir uns dort nicht auskennen und nicht wissen, ob und wo es unterwegs ›Auftankmöglichkeiten‹ für Essen und Hundefutter gibt. Alec Algiak ist in Coppermine eingetroffen, um mich auf dieser Fahrt zu begleiten.
    15. Januar
Um 7.30 Uhr morgens fahren wir beim nebligen Licht des Halbmondes los.
    18. Januar
Gestern sichteten wir vier Karibumännchen hinter einer Berghöhe, erschossen eines davon. Es war bitterkalt, aber mit seinen bloßen Händen konnte Alec das Tier an Ort und Stelle häuten, und in jeder Pause verzehren wir nun frische Karibu-Leckerbissen. Alec überredete mich, ein Ohr auszuprobieren, es sei besonders ölig und schmackhaft. Ich habe mich nicht gewehrt und knabberte an einem der Ohren, während er sich mit etwas mehr Begeisterung auf das andere stürzte. Mir war es dabei leicht schlecht, war das Stück doch ledrig, warm, extrem fettig, und ich musste immerzu dran denken, dass es kaum aufgehört hatte zu zucken. Eigentlich ist die Zunge der beste Teil, den haben wir uns abends geteilt, und ich aß das Herz zum Frühstück heute Morgen. Zum Nachtisch gibt’s die Larven der Dasselfliegen, die oft, so auch hier, unter der Haut am Rücken zu finden sind. Für die Eskimokinder sind sie wie Süßigkeiten und ganz gesund. Voller Protein und saftig. Schade, dass ich nicht die Leber für Betty aufheben kann. Die Hunde freuten sich am frischen Fleisch als willkommene Abwechslung zum Trockenfisch.
    25. Januar
Seit neun Tagen fahren wir ins Herz dieses gewaltigen Hinterlandes, zum größten Teil über Landschaften, die ich noch nie gesehen habe. Eine Schlittenfahrt über das Festland ist anders als die sonstigen Fahrten über das Meereseis. Hier gibt es Berge und Täler, oft mit Felsen übersät, um die wir den Schlitten vorsichtig herummanövrieren müssen, damit die Kufen intakt bleiben. Der weiche Schnee macht es nicht einfacher. Bei jedem Schritt sinkt man bis zu den Knien ein. Bis Ende der Reise werden wir bestimmt mindestens 800 von 1 200 Kilometern in tiefem Schnee gelaufen sein! Als wir uns nach Süden wandten, wurden wir immerhin durch einen günstigen Wind entschädigt und kamen schneller voran.
    Einer von uns läuft neben oder, bei unberechenbarem Terrain, vor den Hunden, der andere sitzt auf dem Schlitten. Wenn diesem beim Sitzen die Zehen anfangen zu frieren, tauschen wir wieder.
    26. Januar
Wir sind nahe der Baumgrenze und stießen gestern auf frische Schlittenspuren. Das war jemand, der offensichtlich Holz holen wollte. Das heißt, irgendwelche

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