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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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Handelsschiffes – »Shiptime« genannt. Sperrige Vorräte wie Baumaterialien, die nicht mit dem Flugzeug transportiert werden konnten, wurden mit dem Schiff geliefert, das, sobald die letzten Eisschollen im Spätsommer verschwunden waren, der Coppermine-Siedlung einen willkommenen Gruß aus der zivilisierten Welt mitbrachte.
    Alles, was neue Farbe brauchte, wurde gestrichen. Nur, auch hier hatte die Arktis, sogar im Sommer, ihre Tücken. Wer mit heller Farbe streichen wollte, musste vorher dafür sorgen, dass keine Mückenschwärme auf der Lauer lagen. Sonst war die frisch gestrichene Fläche mit kleinen schwarzen Punkten verziert. Am besten strich man, wenn ein kalter Nordwind vom Meer her wehte, denn er wehte die lästigen Insekten mit in die Ferne.

    Die Sommermonate brachten der Familie Sperry vor allem eine große Freude: die Anwesenheit von Jack. Einige Wochen lang blieb ihnen erspart, dass er nur da war, während er sich von einer langen Reise erholte und auf die nächste Reise vorbereitete.
    Betty war nach den langen, dunklen Wintermonaten mehr als froh, Angela und John mit Jack zusammen in die Landschaft ziehen zu lassen, um etwas anderes als die Farbe Weiß in all ihren Schattierungen zu Gesicht zu bekommen. Manchmal ging sie mit. Es gab eine Menge zu erleben. Zwei Zelte, ein Kajak, Rucksäcke voller Imbisse und Getränke und eine weite, unbevölkerte Landschaft so weit der Blick reichte: Das Abenteuer konnte beginnen.
    »Irgendwo hier in der Gegend, vielleicht sogar exakt auf diesem Weg, ist Samuel Hearne auch gelaufen«, unterrichtete Jack seine Kinder bei einem dieser Ausflüge. »Aber nicht zum Zelten, wie wir das tun.«
    Die Dreiertruppe war mit Rucksäcken beladen und lief am hohen Ufer des Coppermine-Flusses entlang. Beeren funkelten im Moos wie kleine Smaragde, eine leichte, warme Brise wehte vom Arktismeer her. Die Möwen riefen einander laut zu, während sie auf der Suche nach Fischen über das Wasser schossen. Das Tundragras war hier und da ein Teppich aus farbigen Blüten. Hahnenfußgewächse, Alpen-Säuerling, Hornkräuter, Läusekraut, Schaumkräuter, Heidekraut, Arktischer Mohn.
    »Angela, jetzt nicht! Wir pflücken auf dem Rückweg einen Strauß für Mom! Komm, sonst brauchen wir eine Ewigkeit!«
    Die Geschichtsstunde wurde fortgesetzt. Jack erzählte seinen Kindern, wie Samuel Hearne von der Hudson Bay Company 1770 auf der Suche nach Kupfer hierhergeschickt worden war. Es war sein dritter Versuch gewesen, diese Gegend zu erforschen und nebenher auch zu überprüfen, ob die Gerüchte stimmten, dass es hier ein Polarmeer gab. Er hatte eine Gruppe Chipewyan-Indianer als Führer dabei.
    »Der Häuptling hieß … wer weiß es noch?«
    »Matonabbee!«, antwortete Angela stolz. »Das waren die bösen Indianer, nicht wahr, Dad?«
    »Ja, Angela. Aber leider erfuhr Samuel Hearne zu spät, was seine Indianer vorhatten. Er brauchte sie, weil sie sich in der Gegend gut auskannten. Er wusste nicht, wie sehr sie die Eskimos hassten.«
    Der Weg führte immer weiter nach oben, bis das Rauschen eines Wasserfalls aus der Ferne hörbar wurde.
    »So, jetzt hört ihr die ›Bloody Falls‹. Weißt du, John, warum sie so heißen?«
    »Weil die bösen Indianer die armen Eskimos dort getötet haben!«
    »Korrekt. Am 17. Juli 1771 stießen Samuel Hearne und seine Indianer auf eine Gruppe Eskimos, die gerade Fische gefangen und sich in ihre Zelte zurückgezogen hatten, um zu schlafen. Es waren 20 Zelte. Zelte, weil es Sommer war. Zum Entsetzen Hearnes griffen die bewaffneten Indianer die Eskimos an Ort und Stelle an und brachten sie grausam um, ohne provoziert worden zu sein.«
    »Warum hat er nichts dagegen gemacht?«, fragte Angela, die diese Geschichte nicht zum ersten Mal hörte, jedoch jedes Mal vom Bericht des blutigen Massakers betroffen war.
    »Was denn?«, antwortete ihr Vater. »Hätte er sich den Indianern in den Weg gestellt, hätten sie auch ihn getötet. Wenn er abgehauen wäre, hätten entweder die Indianer oder die Eskimos ihn getötet. Das Ganze hat ihn aber tief erschüttert.«
    »Hat er das Polarmeer wenigstens gefunden?«, fragte John. Blutrünstige Geschichten wühlten ihn nicht so auf wie seine Schwester.
    »Bis er hier ankam, wusste er mit ziemlicher Sicherheit, dass es ein Polarmeer geben musste. Er hatte nämlich Überreste von Robbenhaut gefunden. Robben leben nur in Salzwasser. Als er weiter nach Süden kam, sah er das Meer mit seinen eigenen Augen.«
    »Ich hoffe, dass er sich nicht

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