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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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dazu?«
    Jack holte tief Luft und gab sich offensichtlich Mühe, sachlich zu bleiben.
    »Ich habe keinen Kommentar dazu abgegeben, weil ich keinen anzubieten habe, Sir. Meine Empfehlung an die Tierschützer ist, dass sie lieber vor der eigenen Haustür kehren sollten. Demonstrieren Sie doch lieber vor den Schlachthöfen Europas. Ein Schwein, das für die Schlachtung gezüchtet wurde und auf den Tod wartet, ist nicht besser dran als ein Polarfuchs, dessen Pfote in einer Falle eingeklemmt ist, zumal besagte Pfote, die das Thema so vieler Kontroversen ist, eigentlich nicht wehtut, da sie in der Winterjagdsaison sofort einfriert.«
    Die Stille im Raum hätte man mit einem Messer schneiden können, wusste doch jeder um die Streitereien, die rund um das Thema »Tierschutz in der Arktis« in den Medien tobten. Jack stand unter Strom. Die fünf Kinder waren wieder voll dabei.
    »Das kann Papa gut«, sagte Angela, »die Tierschutzidioten fertigmachen. Er macht ihnen Feuer unterm Hintern!«
    »Psst! Leise!«, kam die strenge Stimme ihrer Mutter.
    »Das Schlimme am Leiden der Schweine und Kühe, die Sie spätestens am Sonntag auf dem Mittagstisch finden werden, ist, dass das ganze Schlachten hier eigentlich wirklich nicht nötig wäre. Sie haben ja alle Gemüsegärten, Sie könnten alle Vegetarier sein. Meine Freunde in der Arktis würden verhungern, wenn sie nicht jagen dürften.«
    Betty versuchte, durch Blicke ihren Mann zur Mäßigung zu bewegen. Offensichtlich war sie darin geübt, seine Launen in schwierigen Momenten aus der ersten Reihe heraus zu steuern.
    »Natürlich gibt es Fälle von Missbrauch und auch von tatsächlicher Grausamkeit«, sagte er in einem beherrschteren Ton, »aber wenden Sie sich dafür nicht an die Eskimos. Sie nehmen nur wenige Tiere aus den Herden, nur so viele, wie sie zum Leben brauchen. Die kommerziellen Jäger aus dem Süden, die auf der Suche nach lukrativen Geschäften durch den Wal- und Robbenfang an Land gehen, um die dekadenten Luxus-Modesalons in London und Paris zu beliefern und dadurch reich zu werden, sind die richtigen Adressaten für die Proteste. Sonst noch Fragen?«
    Jack war hart im Nehmen und entdeckte normalerweise in jeder noch so misslichen Situation irgendwas Lustiges. Wenn seine Eskimofreunde kritisch unter die Lupe genommen wurden, konnte er allerdings ruppig werden.
    »Und außerdem …«
    Betty zuckte kurz zusammen und flüsterte: »Jetzt reicht es, Schatz!«
    »Und außerdem, Kälber- und Ferkelaugen sind genauso süß wie Robbenaugen. Und Kälber und Ferkel bluten auch, wenn sie geschlachtet werden.«
    Es gab keine weiteren Fragen.
    »Haben die Leute genug Geld für Uncle Jacks Eskimos in die Kollekte gelegt?«, fragte Tanya anschließend.
    »Nicht zu laut, die Presse ist da«, antwortete ihr besorgter Vater. »Keine Sorge, bald müsst ihr nicht mehr vornehm tun. Kannst du Grandpa kurz bitten, in dieser frommen Umgebung keine Zigarette zu rauchen? Er wirkt nervös und steckt seine Hand immer wieder in die Hosentasche.«
    »Aus der Kälte der Arktis, aus der Hitze Afrikas, nach Leicester«, titulierte stolz die nächste Ausgabe des Leicester-City-Abendblattes »The Leicester Mercury«.
    Die Sperry-Brüder sorgten für Gesprächsstoff, die Öffentlichkeitsarbeit für Jacks Eskimofreunde und ihre Bedürfnisse hatte funktioniert. Tanya brauchte sich keine Sorgen um die Spenden zu machen.
    Hinter den Kulissen der Empfänge, Vorträge und höflichen Missionsveranstaltungen verwandelten sich die Exoten wieder in zwei gewöhnliche Familien aus zwei ungewöhnlichen und gegensätzlichen Kulturen, die sich über die seltene Begegnung in der alten Heimat über alle Maßen freuten.
    »Kennt ihr den Witz mit dem Bauern?«
    Jacks Augen zwinkerten schelmisch, Betty blickte verzweifelt aus dem Fenster und schüttelte den Kopf, ihre Kinder verdrehten die Augen und riefen: »Nein, Dad, nicht den schon wieder!«, während Roys Kinder: »Erzähl mal, erzähl mal!«, riefen.
    »Sag mal, Bauer, raucht dein Pferd?
    Ne, wieso?
    Dann brennt dein Stall!«
    Ein Gemisch aus schrillem Lachen und resigniertem Stöhnen folgte. Am lautesten lachte Jack selbst. Dabei beugte er sich nach vorne, hielt seinen Körper fest, warf dann den Kopf nach hinten und lachte, was das Zeug hielt.
    »Erzählst du eine Geschichte von Little Jack und Little Roy?«
    Diese Geschichtenserie bestand aus großzügig ausgeschmückten Anekdoten aus der Kindheit der beiden Brüder. Geschichten, die Little Jack zufällig immer

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