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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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drin, das heißt, wie du weißt, ›suchen‹. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie man einen ganzen Satz in ein Wort hineinpacken kann. Dieses Wort verwenden die Eskimos, wenn sie nach Tieren suchen. Pass auf, mehr nach rechts.«
    »Und das ganze Wort ›inuk…was-auch-immer‹ heißt was genau?«
    »›Inukhuiktinguktitauniaktuhi‹ bedeutet: ›Ich werde euch wie solche machen, die nach Menschen suchen‹! Genau das hätte Jesus den Eskimos an dieser Stelle gesagt!«
    Freudestrahlend suchte Jack seine Eskimo-Freunde und Übersetzungsprüfer mit zwei guten Neuigkeiten auf: Dass die Lachsbestände einen ausgezeichneten Fang versprachen und dass er auf eine perfekte Übersetzung für Menschenfischer gestoßen war.
    »Peter, Jack, Alfred, ihr kichert nur! Rückt raus damit – was ist das Problem?«
    »Mit ›huik‹ mitten in diesem Wort drin, Mr Sperry, sendet Jesus seine Nachfolger auf eine Rachemission aus, um einen Mörder zu suchen, einzufangen und umzubringen.« Alfred konnte vor Lachen nicht mehr an sich halten. »Ich glaube, du solltest vielleicht nach einer anderen Möglichkeit suchen …«
    »Manchmal lässt eine Lösung auf sich warten, aber sie wird kommen.« Es war nicht Jacks Eigenart, lange den Kopf hängen zu lassen.
    »Minihitak, Mr Sperry, wir brauchen Hilfe, komm schnell!«
    »Ich komme schon! Was ist passiert, Alec?«
    Alec erzählte in kurzen Sätzen und außer Atem, während Jack sich vom Kopf bis zu den Füßen in Pelze einpackte und schließlich seine Stiefel anzog: Ein junges Paar war mit einem Hundegespann von einer Siedlung 250 Kilometer weit entfernt nach Coppermine unterwegs. Der junge Mann war kein erfahrener Schlittenführer, es war Winter, und er war den Spuren anderer Gespanne gefolgt, die vor ihm auf dem gefrorenen Meer gereist waren. Plötzlich schlug das Wetter um, und das Paar steckte auf rauem Meereseis mitten in einem Schneesturm fest. Der Mann begab sich auf die Suche nach Spuren und verließ dummerweise seinen Schlitten, seine Frau und die Hunde.
    Die Hunde hatten jedoch über die Distanz hinweg die Fährte der Menschensiedlung bereits gewittert und waren zusammen mit der Frau auf dem Schlitten einfach losgelaufen. Als sie in der Siedlung ankamen, war die Frau völlig traumatisiert und schrie nach ihrem verlorenen Mann.
    Jack war Teil der Suchmannschaft. Über gefrorenes Festland zu fahren war in einem Sturm unberechenbar genug, aber eine Reise auf Meereseis konnte dann ein Albtraum werden. War es zur »Freeze-up«- (»Einfrier-«)Zeit gerade windstill, versteiften sich die flachen Wellen zu einer spiegelglatten Ebene, ideal für einen Schlitten. Falls jedoch zur Zeit des Einfrierens ein Sturm tobte, verwandelte sich das Meereseis in eine zerklüftete Landschaft. Die Strömungen unter dem Wasser warfen zusätzliche Eistrümmer auf die Oberfläche. Vor gerade so einem Trümmerfeld standen Jack und das Suchteam nun, als sie sich auf den Weg machten, um nach dem vermissten Ehemann zu suchen.
    Jack stöhnte und schüttelte den Kopf.
    »Musste er sich ausgerechnet in den wildesten Teil des Meeres verirren?«
    »Das ist leider die Richtung, die seine Frau beschreibt«, antwortete Alec. »Wahrscheinlich hat er sich zwischen den Eisblöcken verlaufen und die Orientierung verloren.«
    »Also, los, Rob, aber vorsichtig. Der Boden ist voller Kanten! Ich komme nach vorne und ziehe mit, wenn es zu schwer wird«, rief Jack seinem Leithund zu. Mit schwerem Herzen. Denn das Vorhaben des Suchtrupps glich der sprichwörtlichen Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.
    Die Männer preschten vor, hinaus aufs Eis. In gewaltige Flächen voller zackiger Eissäulen, die im Licht des Mondes wie groteske Gespenster Wache hielten, mussten sie sich wagen, im Wissen, dass sie in einem hoffnungslosen Wettrennen gegen die Zeit gefangen waren. Eine Reise durch das raue Eis war ein Kunststück. Einmal ausrutschen konnte ein zertrümmertes Bein bedeuten, Schnittwunden an den Pfoten der Hunde oder irreparable Schäden am Schlitten. Es war ein Abenteuer, auf das man sich nur dann einließ, wenn es um die Rettung eines Menschen ging.
    Pure animalische, physische Kraft brauchten die Männer. Zum Schieben, Heben, Keuchen, Brüllen, Anhalten, wieder Losfahren. Sie kletterten über Eiskämme und zogen den Schlitten hinter sich her, schnitten mit einer Axt einen mühsamen Weg durch zackiges Eis, mussten immer wieder die Hunde befreien, deren Leinen sich verheddert hatten. Und dann das Ganze noch mal von vorne. Und

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