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Am Rande Der Schatten

Titel: Am Rande Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Betrunkener. Er brauchte Luft. Er würde sich übergeben. Er stürzte hinaus auf den breiten Balkon des Gottkönigs.
    Sie saß auf dem steinernen Geländer, die Füße um des Gleichgewichts willen um dessen Pfosten geschlungen. Sie lehnte sich weit zurück, und auch sie war nackt. In der Hand hielt sie ein Nachthemd, das wie ein Banner im Wind flatterte. Mags.
    Kylar schrie. Magie sickerte durch seinen Zorn, und der Schrei hallte über die Burg hinweg und warf ein Echo vom tief unter ihm liegenden Innenhof zurück. Alles Leben in der Burg hielt inne. Kylar bemerkte es nicht, noch bemerkte er, dass der Ka’kari über seine Haut schoss, das Antlitz des Urteils verdeckte seine Qual.
    Er schlug mit einer Hand auf das steinerne Geländer neben Mags. Dann hob er sie hoch und trug sie hinein. Das Gefühl ihrer Haut, lebender Haut so ähnlich, war obszön. Aber ihre Glieder waren erstarrt. Er legte sie aufs Bett, dann riss er die Bolzen heraus, die Serah Drake an der Wand festhielten. Schließlich legte er Serah neben ihre Schwester. Als er sie bedeckte, sah er, dass der linke Fuß eines jeden Mädchens in einer schwungvollen Schrift unterzeichnet war, als seien ihre Leichen Kunstwerke: Trudana Jadwin.
    Vi starrte mit weit aufgerissenen Augen zwischen ihm und dem zerschmetterten, fünfzehn Zentimeter breiten steinernen Geländer hin und her. »Verdammte Scheiße«, flüsterte sie. »Kylar, bist du das?«
    Er nickte steif. Er wollte die Maske des Urteils absetzen, aber er konnte es nicht. Er brauchte sie im Augenblick.

    »Ich habe in den Räumen der Konkubinen nachgesehen«, sagte Vi. »Nichts. Er muss bereits im Thronsaal sein.«
    Kylars Magen krampfte sich zusammen. Er zuckte unwillkürlich.
    »Was?«, fragte Vi.
    »Böse Erinnerungen«, antwortete Kylar. »Verflucht. Lass uns gehen.«
    Der Morgen nahte. Indem sie die beiden Wachen töteten, hatten sie ihr eigenes Stundenglas umgedreht. Irgendjemand würde bald nach den Männern sehen - wahrscheinlich bei Sonnenaufgang. Schlimmer noch, das Glas der cenarischen Armee leerte sich bereits. Die Schlacht würde bald beginnen, und dann würden die unangenehmen Überraschungen anfangen. Wenn Logan eine Chance haben sollte, König zu sein, musste Kylar ihm einen Sieg schenken. Die Ermordung Garoth Ursuuls würde die Khalidori entmannen.
    Sie gingen durch die Flure, Vi in ihrem Schankmagdkleid, Kylar unsichtbar. Dennoch huschte er von Tür zu Tür, als sei er nicht unsichtbar, für den Fall, dass irgendwelche Meister in den Fluren unterwegs waren. Als sie den letzten Flur erreichten, kamen sie an sechs der größten Hochländern vorbei, die Kylar je gesehen hatte. Kylar versteckte sich hinter eine Statue, als er bemerkte, dass die Hochländer von zwei Vürdmeistern begleitet wurden. Das Seltsamste war, dass der Schutz einer einzigen Frau galt - anscheinend einer der Konkubinen oder Ehefrauen des Gottkönigs -, die ganz in Roben und Schleier gehüllt war, sodass man keinen Zentimeter ihrer Haut sehen konnte.
    Als Kylar seine Messer zog, um sie zu töten, legte Vi ihm eine Hand auf den Arm. Er richtete den Blick des Urteils auf sie, und sie zuckte zusammen, aber sie hatte recht. Ein
Kampf an diesem Ort wäre eine Ablenkung, die ihre wahre Mission gefährden könnte, und es gab nichts, was Kylar aufhalten sollte, Garoth Ursuul zu töten.
    Kylars Magen war in Aufruhr. Er beruhigte sich nicht einmal, als die Gruppe eine Ecke umrundete und verschwand. Dies war derselbe Flur, in dem er mit Elene und Uly gestanden hatte, als er in seinen ersten Tod gegangen war.
    Eine gewisse Gelassenheit bemächtigte sich seiner. Garoth Ursuul war weit mächtiger als Roth Ursuul, aber Kylar war jetzt auch mächtiger. Er war zuversichtlicher. Bei dem Versuch zu beweisen, dass er ein Mann sei, war er noch ein Knabe gewesen, jetzt war er ein Mann, der eine Entscheidung traf, wohl wissend, was sie kosten könnte.
    Er lächelte verwegen. »Nun, Vi, bist du bereit, einen Gott zu töten?«

66
    Die Männer standen auf dem Gipfel eines Hügels südlich des Schlachtfeldes: sechs der mächtigsten Magi der Sa’seuraner. Ihre Kleidung verriet nichts davon. Sie alle trugen die schlichten Gewänder eines Kaufmanns aus ihrem jeweiligen Heimatland: vier Alitaeri, ein Waeddryni und ein Modaini. Ihre stämmigen Packpferde trugen sogar eine ansehnliche Menge an Handelsgütern, und wenn ihre Reittiere ein wenig besser waren als die der meisten Händler, waren sie doch nicht so prächtig, dass sie Aufsehen erregt hätten.

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