Am Rande Der Schatten
Herr«, sagte Caedan.
Die cenarische Linie war jetzt vierhundert Schritt von ihren Feinden entfernt. Die Gruppe unter General Agon hatte sich an die Spitze gesetzt und sich geteilt. Aber sie teilten sich nicht nur in ein oder zwei oder sogar drei Gruppen. Seine
wenigen Reiter sowie seine Fußsoldaten formten eine durchbrochene Linie so lang wie die cenarische Front.
»Was zur Hölle tut er da?«, fragte einer der Alitaeri.
Eine lange Sekunde antwortete niemand. Er konnte nicht hoffen, die khalidorische Linie auf diese Weise zu durchbrechen. Außerdem ließ sein Vorgehen eine Lücke in der cenarischen Mitte. Aber noch während die Männer das Geschehen beobachteten, befahl einer der anderen cenarischen Generäle, Herzog Wesseros, seinen Männern, in die Lücke vorzustoßen.
»Es ist genial. Er minimiert seine Verluste«, bemerkte Vervel.
»Was?«, fragte Jaedan verwirrt.
»Denk wie ein Meister, Childe. Deine Vir reichen für fünf bis zehn Feuerbälle, bevor du verausgabt bist. Im Allgemeinen wirst du mit jedem Feuerball zwei bis fünf Männer töten. Bei einer so dünnen Linie wirst du einen töten. Du wirst dein Ziel vielleicht sogar gänzlich verfehlen. Agon weiß, dass er ein Glücksspiel wagt. Falls die Hauptstreitmacht seiner Truppe zu spät zu Hilfe eilt, wird seine erste Linie niedergemetzelt werden, aber wenn sie binnen fünf oder zehn Sekunden treffen, wird er Hunderte gerettet und die, äh, Wirkung auf die Moral gegen null gebracht haben. Es sieht so aus, als hätten wir einen General gefunden, der weiß, wie man gegen Meister kämpft. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für Cenaria.«
Bei zweihundert Schritten beschleunigte die Linie ihre Geschwindigkeit.
Die Bogenschützen in den khalidorischen Reihen schossen ihre erste Salve ab, und ein Schwarm von zweitausend schwarz gefiederten Pfeilen flog durch die Luft. Für eine lange Sekunde verdunkelten sie einen bereits trostlosen Himmel und warfen den Schatten des Todes über die Morgendämmerung. Als sie
sich zurück zur Erde neigten, gruben sie ihre mit Widerhaken versehenen Spitzen in Erde und Rüstung und das Fleisch von Männern und Pferden.
Die zerstreuten Reihen retteten tatsächlich Hunderte, aber überall entlang der cenarischen Linie fielen Männer auf die Stoppelfelder; binnen eines Wimpernschlags stürzten sie aus einem vollen Lauf in den Tod. Andere fielen verletzt nieder, mit durchschossenen Armen oder Beinen, und einen Moment später wurden sie von ihren Freunden und Landsleuten zertrampelt. Pferde verloren Reiter und setzten den Ansturm nur deshalb fort, weil die Pferde zu ihrer Rechten und Linken weiter vorwärtsstürmten. Reiter verloren ihre Pferde und stürzten aus vollem Galopp zu Boden - manchmal flogen sie aus dem Sattel und erhoben sich wieder, um mit den Fußsoldaten weiterzurennen; manchmal verfingen sie sich im Sattel und wurden unter dem Körper ihres Pferdes zerquetscht.
Die khalidorische Armee leistete, wozu nur gut eingespielte Truppen imstande sind. Die Bogenschützen ließen so viele Pfeile in so wenigen Sekunden wie möglich fliegen, und dann, als ein Banner sich erhob, ergriff ein jeder seine verbliebenen Pfeile und zog sich zurück. Es gab perfekte Linien in den Reihen, um es jedem Bogenschützen zu ermöglichen, sich hinter die Speerwerfer und Schwertkämpfer zurückzuziehen, die sie vor dem Kampfgetümmel schützen würden. Während sie zurückwichen, ohne dass spezielle Befehle erteilt wurden, füllten die hinteren Reihen die Lücken, die die Bogenschützen hinterlassen hatten. Das Manöver war nichts Besonderes, aber die Geschwindigkeit, mit der die Armee es ausführte, während Tausende von Feinden auf sie zustürmten, war durchaus beeindruckend.
Die Meister ließen Feuer fliegen. Nachdem ihr ursprünglicher Plan in Trümmern lag, schleuderten einige der Meister Feuerbälle auf die heranstürmenden Pferde, während andere, die noch nicht begriffen hatten, dass ihr Plan gescheitert war, ihre Magie auf den Getreidestoppeln des Feldes verschwendeten, ohne die Cenarier in ihrem Ansturm aus dem Takt zu bringen.
Das Aufeinanderprallen der Kampfreihen war für die Magi deutlich zu hören, trotz der großen Entfernung. Männer und Pferde spießten sich auf Speeren auf, und ihr Schwung trug sie in die khalidorischen Reihen. Andere krachten mit voller Wucht gegen khalidorische Schilde, und Männer fielen der Länge nach zu Boden, aber die Cenarier in dieser ersten Reihe mussten Veteranen gewesen sein. Bei den
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