Am Rande des Abgrunds: Thriller (German Edition)
wär’s, einfach so, auf ’ne Tasse Kaffee.«
»Ich wüsste nicht, was dagegen spricht.«
Er dachte darüber nach. »Mir fällt auch nichts ein.«
»Also dann: abgemacht.«
Dann widmeten sie sich wieder ihrem Essen.
»Wieso sind Sie eigentlich zur Polizei gegangen?«, fragte Charlotte kauend.
Er riss etwas Brot ab und hielt es ihr hin. »Zuerst hab ich in einem Büro gearbeitet, ein Jahr lang, nach dem Schulabschluss. In meiner Familie geht man nicht auf die Uni. Geldverschwendung, hat mein Vater gesagt.«
»Meiner hätte mich umgebracht, wenn ich nicht gegangen wäre.«
»Kann ich mir vorstellen. Jedenfalls: Dieses Büro gehörte zu einer Sanitärfirma. Wir haben Klobrillen und so was verkauft. Bathroom World – da habe ich gearbeitet. Solitär, matschige Sandwiches, mieser Kaffee – na ja, daran hat sich nicht viel geändert. Aber ich dachte mir, verdammt noch mal, will ich jetzt wirklich den Rest meines Lebens Alan aus der Buchhaltung riechen müssen, mit seinen eingelegten Zwiebeln?«
»In meinem Büro war es ganz ähnlich«, sagte sie und dachte sich, wie jung er wirkte verglichen mit Dan. »Da waren zwar alle immer sehr schick gekleidet, und niemand hat was bei der Arbeit gegessen, schon gar keine eingelegten Zwiebeln, aber dennoch ist man den ganzen Tag von diesen Leuten umgeben, die sich ewig räuspern und ständig auf Facebook unterwegs sind – Sie wissen schon.«
Er schob ihr das Hühnerfleisch hin, das in der dicken Kokosmilch-Koriander-Soße allmählich kalt wurde. »Nehmen Sie doch noch was.«
»Danke, aber ich bin pappsatt.«
»Dann fehlt Ihnen das also gar nicht – diese Arbeit?«
Sie dachte darüber nach. »Vielleicht fehlt’s mir nur, jeden Tag gut aussehen zu müssen und einen Grund zu haben, morgens aufzustehen.«
»Sie sehen jetzt auch gut aus«, sagte er und wurde knallrot. »Ich lasse mal die Rechnung kommen.« Charlotte holte ihre Designer-Geldbörse hervor, aber er sagte: »Nein, bitte nicht.«
»Aber …«
»Nein. Bitte, Charlotte. Ich lade Sie ein.«
Sein Stolz rührte sie, und sie ließ ihn bezahlen. »Danke. Es war köstlich, nicht wahr? Ich habe Unmengen gegessen.«
Nachdem er die Rechnung beglichen hatte, kaute er einen der Minzdrops, die ihnen auf einer Untertasse gebracht worden waren. »Also. Sie wollten mich aber nicht treffen, um sich meine ungemein spannende Lebensgeschichte anzuhören.«
Fast bedauerte sie, dass er das Thema nun doch ansprach. »Die Sache ist die: Ich glaube, ich habe ein paar neue Einzelheiten herausbekommen.« Sie sah, wie sich sein Gesichtsausdruck änderte. »Ich weiß, das muss nervig sein. Aber es geht nun mal um sein Leben – Dans.« Es fühlte sich so falsch an, Dans Namen hier auszusprechen, an diesem Tisch, an dem sie seit zwei Stunden beisammensaßen.
»Ich höre«, sagte Hegarty und seufzte.
»Also.« Charlotte wusste nicht, womit sie anfangen sollte. »Nachdem Sie das letzte Mal bei mir waren und Keisha sich so … na ja. Also, sie hat noch einige weitere Dinge herausgefunden.« Und dann erzählte sie ihm von den Gang-Gerüchten und dass der Club Geldschulden habe und von dem blauäugigen Mann im Obdachlosenasyl und dass sie das Gefühl gehabt habe, dass er ihr möglicherweise gefolgt sei. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube … Irgendwie glaube ich, dass ich ihn in jener Nacht gesehen habe. In dem Club. Ich habe Keisha nichts davon gesagt. Sie würde sich niemals zu einer Aussage bereit erklären, wenn sie annehmen müsste, dass er wieder aufgetaucht ist. O Gott, das klingt schlimm, nicht wahr?«
Hegarty schwieg eine ganze Zeit lang. Dann sagte er: »Es ist sehr gefährlich, was Sie da machen. Sie und Ihre Freundin.«
»Sie ist nicht meine Freundin. Aber sie ist auch daran beteiligt. Es geht auch um ihr Leben, verstehen Sie? Er hat ihre Mutter auf dem Gewissen, wissen Sie das überhaupt?«
»Nein, davon wusste ich bisher nichts.« Er klappte mit geradezu aufreizender Gelassenheit seine Brieftasche zu. »Ich sage Ihnen: Es ist überaus gefährlich, Männern wie Chris Dean hinterherzuschnüffeln.«
»Aber das machen wir doch gar nicht. Keisha arbeitet einfach in dem Club. Sie wird doch wohl dort arbeiten dürfen.«
Er blieb wiederum ganz ruhig, während sie sich immer mehr aufregte.
»Selbstverständlich. Aber ich bitte Sie beide: Seien Sie vorsichtig. Wenn es so ist, wie Sie sagen, ist das ein sehr gewalttätiger Mann.«
»Habe ich Ihnen erzählt, was er mit seiner kleinen Tochter gemacht hat?«
»Ja. Und
Weitere Kostenlose Bücher