Am Rande wohnen die Wilden
Mahoney blickte von der leicht gewölbten vorderen Fläche des schwebenden Zylinders auf die dampfende Wand des Dschungels. Er hatte keinen Blick für den träge in tieferes Wasser gleitenden Kaiman, der mit wachen Augen auf das seltsame Fahrzeug blickte, ehe er in einem mächtigen Strudel versank.
Irgendwo, dort in diesem dunkelgrünen Dämmer, mußten sich die Indianer befinden, Rod war sich dessen sicher. Die feinen Ortungsgeräte der Mornen täuschten sich nicht.
In den vergangenen Tagen hatte er Gelegenheit gehabt, einen kleinen Teil der mornischen Technik und die überragenden geistigen Leistungen ihrer Schöpfer zu bewundern. Sie hatten sich alle konzentriert auf ihre Aufgaben vorbereitet, hatten versucht, einen Algorithmus der indianischen Sprachen zu finden, um die Translater zu programmieren, aber die Abweichung der Idiome war zu groß. So hatten sie sich für das Spanische entschieden, hoffend, daß der eine oder andere Indianer dieser Sprache mächtig sein würde.
Er blickte sich um. Nur wenig hinter ihm stand Bojan. Rod glaubte auf dem starren Gesicht des Mornen den Anflug eines Lächelns wahrnehmen zu können, aber vielleicht war es auch nur der trübe Dämmer, der diesen Eindruck erzeugte.
Er erinnerte sich eines Gesprächs mit dem Maschinisten, als er ihn erstaunt gefragt hatte, weshalb die Mornen ausgerechnet auf seiner und Bettys Teilnahme an dieser Expedition bestanden hatten.
Zuerst war er verblüfft über die eigenartige Antwort. Bojan hatte ihm rundheraus erklärt, daß man ihn, Rodney Mahoney, für ein Musterexemplar menschlicher Spontaneität und Unausgegorenheit halte. Man verspreche sich sehr viel von seiner Anwesenheit und der Untersuchung seiner Verhaltensweisen unter den natürlichen Bedingungen des Dschungels. Es wäre gelogen, wenn er behaupten wollte, er hätte sich durch Bojans Worte geehrt gefühlt, aber bei genauerem Nachdenken sah die Sache nicht gar so schlimm aus, wie es ihm zuerst erschienen war, zumal ihm Tekla erläutert hatte, daß es vor allem seine kraftvolle Art sei, die ihn den Mornen so interessant mache. Ihrer Meinung nach sei er das Urbild des Menschen überhaupt.
Nun, ihm konnte es recht sein. Er war gewöhnt, sein Verhalten untersucht und zergliedert zu sehen, und es war schon ein Vorteil, daß er sich hier so geben konnte, wie er wirklich war. Niemand erwartete von ihm, daß er das Großmaul spielte. Sollten sie ihn ruhig studieren!
Er wäre ohnehin in Schwierigkeiten gekommen, hätte man ihn gefragt, was er jetzt, da seine Karriere im Boxsport ihren Höhepunkt erreicht hatte, zu tun gedenke. Wahrscheinlich hätte er die Schultern gezuckt und wider besseres Wissen behauptet, er werde weitertrainieren. Und man würde ihm glauben, denn die Ente vom unterschriebenen Vertrag war noch nicht widerrufen worden.
Selbstverständlich hatte Rod verlangt, Brewster solle die Presseberichte, in denen behauptet wurde, Rod habe bereits einen neuen Vertrag unterschrieben, dementieren und eine entsprechende Korrektur veröffentlichen, aber Brewster hatte erklärt, er wisse von alldem nichts und habe vor der Presse auch nichts behauptet.
Es hatte einen heftigen Streit gegeben, und Rod hatte ihm erklärt, daß er nicht daran denke, nochmals in den Ring zu steigen. Dann hatte er die Tür hinter sich zugeschlagen und war, so schnell er konnte, hinter Betty hergelaufen, aber er hatte sie nicht mehr erreicht. Erst hier bei den Mornen, deren Angebot er freudig angenommen hatte, waren sie sich wieder begegnet, und er wußte jetzt, daß ihm Betty mehr bedeutete als alles andere.
Als er bis zu diesem Gedanken gekommen war, stellte er verwundert fest, daß er zum erstenmal fühlte, welche Sicherheit in der Tatsache lag, vor sich selbst Klarheit geschaffen zu haben. Fast war er ein wenig stolz auf sich. Er überließ sich seinen Gedanken, blickte auf die hinter dem Boot aufkochenden Wirbel, auf die weißen Heckseen, die das Luftkissen aus der Tiefe des Flusses heraufpreßte, und träumte.
Hinter ihm starrte Bojan auf die dunkelgrüne, dampfende Wand des Waldes. »Dort war ein Mensch!« sagte er. »Seine mentalen Impulse sind den euren zwar ähnlich, aber sie gleichen ihnen nicht!«
»Kein Wunder!« erwiderte Rod. »Ihre Gedanken laufen in anderen Bahnen. Sie stehen noch weitab von unserer Zivilisation.«
Bojan schien nachzudenken. »Aber.«, sagte er. Doch Rod winkte ab.
»Ich weiß, was du sagen wolltest. Aber ich kann dir nicht erklären, weshalb ihre Impulse anders sind. Ich
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