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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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weiß nur, daß auch ihr Denken anders ist als das unsere.«
    Bojan schüttelte den Kopf, und Rod freute sich über diese Geste, eine Geste, die von den Mornen immer häufiger kopiert wurde. 
    »Das meinte ich nicht«, sagte er und schwebte neben Rod. »Eigentlich wollte ich dich fragen, warum diese Menschen auf einem ganz anderen Entwicklungsstand stehen als die anderen, zu denen auch du gehörst, und alle die, die wir bisher kennengelernt haben.«
    Rod hob wieder die Schultern. »Das ist nicht einfach zu erklären. Die gleichmäßige Entwicklung des Lebens auf einem Planeten ist von vielen Voraussetzungen abhängig.«
    »Beispielsweise von einer ständigen Kommunikation der Menschen untereinander«, schaltete sich Karin Bachfeld ein.
    »Das mag richtig sein.« Bojan wandte sich ihr zu. »Aber das ist auf eurem Planeten mit Sicherheit sehr schnell und leicht zu erreichen, wenn das Interesse dafür vorhanden ist. Eure Technik hat einen Stand erreicht, der garantieren könnte, daß kein Volk aus der Evolution ausgeschlossen bleibt.«
    Karin Bachfeld begann langsam und vorsichtig zu erklären, daß es Zeiten gegeben habe, in denen ganze Völkerstämme ausgerottet worden seien, nur weil sie nicht in der Lage waren, sich gegen die überlegenen Waffen der Eroberer zur Wehr zu setzen. So seien Kulturen untergegangen, berichtete sie, von denen man erst später erfuhr, auf welch hohem Stand sich ihre Zivilisation befunden habe; nur eben in der Waffentechnik waren sie zurückgeblieben, wenn man die Eroberer als Maßstab nahm. Sie ließ anklingen, daß man diese sogenannten Wilden, jetzt konnte sie sich eines Lächelns nicht erwehren, bis vor wenigen Jahren brutal ausgebeutet hatte und daß die Indianer selbst sich in ökologische Nischen zurückgezogen hatten und jeden Kontakt mit der Zivilisation — sie sagte »mit der sogenannten Zivilisation« — ablehnten. Sie nannte die drastischen Gesetze, die es heute gab, um das Leben dieser Minderheiten auf der Erde zu schützen. Sie sagte aber auch, daß die Menschheit die Zeit für gekommen halte, diese wenigen Stämme behutsam in das allgemeine Leben der Erdbevölkerung einzugliedern. Allerdings werde das viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen, denn man wolle einmal begangene Fehler nicht aus Unvernunft wiederholen.
    Rod mußte zugeben, daß sich Karin Bachfeld alle Mühe gab, diese auch in seinen Augen heikle Angelegenheit so vorsichtig wie irgend möglich zu erläutern, aber es war nicht schwer, selbst dem beherrschten 
    Gesicht Bojans, in dem sie langsam lesen lernten, anzusehen, daß die Menschheit eine weitere Schlacht verloren hatte.
    Mit einem mächtigen Satz sprang Rod ans Ufer und sank bis über die Knöchel in den weichen Schlick. Fluchend versuchte er die Stiefel herauszuziehen, da sah er, wie einige faustgroße Landeinsiedlerkrebse mit schaukelndem Gehäuse unter die Luftwurzeln der nächsten Bäume flüchteten. Er vergaß einen Augenblick den schwarzen Brei, in dem seine Füße steckten, vergaß, daß er eben noch drauf und dran gewesen war, sich für die gesamte Menschheit zu schämen, und betrachtete amüsiert die kleinen Gesellen, die augenzuckend und fühlertastend mit ihren mächtigen Schneckengehäusen flüchteten.
    Bojan war vorsichtiger als er oder klüger. Der Morne schaltete seinen Antigravgürtel ein und sprang mindestens drei Meter weiter. Er setzte auf einem zwar glitschigen, aber doch festen Uferweg auf und blickte zurück zum Zylinder.
    Nach und nach ging die Gruppe an Land. Es waren vier Menschen, Karin Bachfeld, Wolfram Bracke, Betty und er. Dazu kamen sechs Mornen, Bojan als Leiter, Tekla, ein Arzt, der Kont hieß, schweigsam und verhältnismäßig klein war und nur selten auf sich aufmerksam machte, aber desto interessierter beobachtete, und drei Biologen: Beltas, Virto und Helo. Als Rod sich die Namen der Mornen nochmals vergegenwärtigte, fiel ihm auf, daß daraus auf ihr Geschlecht geschlossen werden konnte. Diese Ähnlichkeit mit menschlichen Namen freute ihn, und sie stimmte ihn versöhnlicher.
    Sie ließen Rod den Vortritt. Als er sich nach wenigen Metern umblickte, sah er, daß ihm alle folgten. Hinter ihnen stieg langsam der Antigrav auf und begann ihnen zu folgen wie ein dressierter Falke.
    Rod fand mit wenig Mühe einen Pfad, von dem er annahm, daß er irgendwann zu einem Indianerdorf führen würde. Wahrscheinlich deckten sie ihren Wasserbedarf am Fluß, und das Dorf lag mit einiger Sicherheit nicht weit von ihrem Landeplatz entfernt.

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