Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
Vom Netzwerk:
näher kamen, konnte man erkennen, daß ihre Körper mit bunten geometrischen Figuren bemalt waren.
    Rod betrachtete die Mornen, die starr und stumm die Szene beobachteten. Er sah, wie es hinter der Stirn Bojans wetterleuchtete. Er schien angestrengt zu lauschen.
    »Ich kann ihre Gedanken verstehen«, flüsterte er. »Nicht so klar wie die euren, aber ich begreife zumindest den Sinn. Es sind einfache und geradlinige Gedanken. Sie sind erstaunt über die Anwesenheit von Weißen, die sie noch nie gesehen haben. Damit meinen sie uns. Sie ermahnen sich gegenseitig zur Vorsicht. Unsere gelbe Kleidung und die Masken vor unseren Gesichtern machen ihnen Kopfzerbrechen. Gleich werden sie stehenbleiben. Da, der alte Mann hebt die Hand.«
    Tatsächlich blieb die Gruppe etwa zwanzig Meter vor ihnen stehen. Zwei jüngere Männer traten neben ihren Häuptling und stützten sich auf ihre langen Pfeile. Lange blickten sie stumm herüber, und auch Bojan konnte keinen Gedanken auffangen.
    »Der schwarze Mann soll näher treten«, rief einer der beiden in gebrochenem Spanisch. Dann setzte er sich mit untergeschlagenen Beinen mitten auf den Weg, und die anderen taten es ihm gleich.
    Sie hatten Rod automatisch zum Häuptling der Ankömmlinge gemacht, da seine Hautfarbe der ihren am meisten ähnelte. Rod wunderte sich nicht, daß Betty für diese Funktion für die Indianer nicht in Frage kam. Sie war in ihren Augen nur eine Frau.
    Den Sinn des Satzes hatte er verstanden, da man in seiner Heimat häufig mit spanisch sprechenden Einwohnern des benachbarten Mexiko zu tun gehabt hatte. Er war jedoch aufs höchste erstaunt, als Bracke die Forderung fehlerfrei übersetzte. Fragend blickte er ihn an, und der Kosmonaut mußte wohl sofort begriffen haben, worüber sich Rod wunderte. 
    »Ich habe versucht, ein wenig Spanisch zu lernen, als ich erfuhr, daß ich die Mornen in den Dschungel begleiten sollte«, erklärte er, und Rod begriff, welche Energie in dem so stillen Bracke steckte.
    Ohne sich um die abweisenden Gesichter der Suyas zu kümmern, hielt er sich an Rods Seite, als der die beiden Speere zur Seite bog und gemessenen Schrittes vor den Häuptling trat. In der Tat erwähnte der zerknitterte alte Indianer die Übertretung seiner Forderung mit keinem Wort.
    Nach einem langen Gespräch, das oft auf Nebensächlichkeiten abschweifte, wie sollten sie den Suyas auch den genauen Sinn ihres Hierseins erläutern, erklärten sich die Indianer bereit, die Gruppe für sechs Tage in ihrem Dorf aufzunehmen und sie mit ihren Lebensgewohnheiten vertraut zu machen. Rod winkte den anderen, näher zu treten.
    Als sich der Zug wenige Minuten später in Bewegung setzte, begann es rechts und links des Weges in den Büschen zu rascheln. Ein ständiger Zustrom von braunhäutigen Indianern spaltete die kleine Expedition auf. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als das Spiel mitzumachen. Sie wären ohnehin kaum in der Lage gewesen, etwas gegen die Zersplitterung der Gruppe zu unternehmen. Es war still im Wald. Die marschierende Gruppe hatte alle Tiere verscheucht. Oder doch fast alle.
    Hatten die Mornen zuerst noch einen erheblichen Abscheu vor diesem grünen Dämmer, vor diesen mit wilder Lust wuchernden Pflanzen gehabt, so begannen sie sich nun langsam daran zu gewöhnen und bekamen mit der Zeit einen Blick für die Schönheiten des grünen Lebens.
    Kont, der Arzt, griff spielerisch nach einem Ast, der vor seinem Gesicht hin- und herpendelte. Er zuckte entsetzt zusammen, als unmittelbar neben ihm ein unartikulierter Schrei ertönte, der ihm eine Welle körperlichen Schmerzes bereitete, und dicht neben seiner Hand ein Messer wie ein silberner Blitz zischte, das den Ast in der Mitte durchtrennte.
    Erschrocken starrte er auf das Vorderteil einer sich am Boden windenden Baumschlange, deren Schwanz noch immer mit den letzten Schlingen des Körpers am Baum hing.
    Aus den Gedanken des Suyas, der mit sich überschlagenden Worten auf ihn einredete, spürte er die Warnung vor den Tieren des Waldes heraus. Er mußte erfahren, daß der Biß dieses »Astes« tödlich gewesen wäre, wenn der Suya Komdu das Tier nicht vernichtet hätte. Impulsiv drückte Kont dem Indianer die Hand und sah, wie ein strahlendes Lächeln dessen braune Zähne entblößte.
    Den Rest des Weges legte Kont in tiefer Schweigsamkeit zurück. Er dachte nach über diesen Planeten, auf dem Wesen lebten, die wie Wilde aussahen und die, je näher man sie kennenlernte, zu guten Freunden wurden. Er

Weitere Kostenlose Bücher