Am Rande wohnen die Wilden
betrachtete aufmerksam die himmelwärts strebenden Bäume, die sich an ihnen emporschlingenden Lianen mit den bunten Blüten und die kleinen Tiere, die hastig flohen. Und er dachte an die sanften, glatten Hügel von Morn mit ihren geschwungenen Linien und an die Sauerstoffschächte, die die riesigen Wälder der Erde vertraten.
Am dritten Tag ihres Aufenthaltes im Lager der Suyas nahm Bojan Rod Mahoney beiseite. »Je länger ich mich mit den Lebensbedingungen dieser Menschen befasse, desto unverständlicher wird mir, daß sie die Errungenschaften eurer Zivilisation ablehnen«, erklärte er.
Rod hob die Schultern. »Geh davon aus, daß sie ein anderes Leben als das ihre nicht kennen. Sie fühlen sich wohl in engem Kontakt mit der Natur ihrer Heimat.«
»Aber gerade zu ihrer Umgebung befinden sie sich in einem ständigen Widerspruch. Jeden Fußbreit Boden müssen sie sich erobern. Sie werden von Krankheiten und wilden Tieren bedroht, gegen die ihnen die moderne Zivilisation helfen könnte.«
»Das tut sie ja auch. Nicht alles lehnen diese Indianer ab. Sie bekommen Medikamente, Informationen, Waffen und Motoren. Aber in Maßen, verstehst du? Nicht als Überangebot. Und sie begrenzen die Kontakte schon von sich aus, denn sie müssen sich langsam erst daran gewöhnen, daß die Zivilisation ihnen heute nicht mehr schadet, sondern nützt.« Rod blickte dem Mornen ins Gesicht. »Und vielleicht ist es gut, daß sie langsam in unsere Gesellschaft hineinwachsen.«
»Du meinst also, daß eure Gesellschaft eine Gefahr für sie wäre?«
»Das glaube ich in der Tat. Seit Jahrhunderten leben sie an der Grenze des Existenzminimums. Sie würden, plötzlich integriert, an dem Überangebot der modernen Zivilisation ersticken. Sogar unseren Völkern hat es nach der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse Mühe gekostet, den Herzinfarkt zu besiegen, eine Krankheit, die durch ein Überangebot an Nahrungsmitteln und gleichzeitige Bewegungsarmut hervorgerufen wurde.«
»Aber die Menschheit ging daran nicht zugrunde.«
»Nein!« sagte Rod lachend. »Hatten die Menschen zuerst das für sie neue Gefühl des Wohlstandes wie in einer Konsumeuphorie ausgekostet, so begann man schon bald auf die zuerst noch belächelten Warnungen einiger Wissenschaftler zu hören, die durchaus ihre Berechtigung hatten. Das Problem wurde sehr schnell gelöst, als die neue Gesellschaft nicht mehr den Profit, sondern den Menschen in den Vordergrund stellte.«
Bojan hatte bereits genügend von der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft gehört, um keine Fragen mehr stellen zu müssen. Und doch gab ihm die Menschheit immer wieder Rätsel auf.
»Trotzdem sollte man meinen, daß nach nunmehr dreißig Jahren der neuen Ordnung die Indianer ihre Aversion abgelegt haben müßten«, sagte er.
»Vielleicht haben sie das auch und geben es nur noch nicht zu. Auf alle Fälle aber dürften sie sich bereits ihre eigenen Gedanken gemacht haben.«
»Es scheint mir aber auch an der Zeit zu sein, daß die zivilisierte Menschheit Schritte unternimmt, die den Indianern die Integration erleichtert.«
»Das wird zweifellos bald geschehen. Im Augenblick jedoch hat die Gesellschaft noch eine Menge anderer Probleme zu lösen, ehe sie dieses Problem angreifen kann. Und bei allem guten Willen wird die Eingliederung dieser Indianer doch ein sehr langer Prozeß werden.«
»Aber sie ist notwendig. Die Indianer benötigen für ein Individuum einen viel größeren Raum, als er für einen Menschen in einer modernen Gesellschaft benötigt wird, um sich ernähren zu können. Das Leben dieser Menschen ist unrationell.«
»Unsere Wissenschaftler haben sich die gleichen Gedanken gemacht«, warf Karin Bachfeld ein. »Aber auch die riesigen Wälder hier haben ihre Daseinsberechtigung. Sie sind es letztlich, die die Erde zu dem machen, was sie sein soll: der optimale Lebensbereich des Menschen. Und deshalb nehmen wir uns Zeit mit der Eingliederung der Indianer.«
Bojan war unzufrieden. Die Gedanken der Menschen schienen ihm zu kurzsichtig. »Wir auf Morn betreiben die Aufbereitung unseres Atemgases auf künstlichem Wege«, erklärte er. »Und die Menschen sollten sich überlegen, ob es für ihren Lebensbereich nicht das beste wäre, sich ebenfalls dieser weit effektiveren Methode zu bedienen.«
Karin Bachfeld schüttelte den Kopf. »Unser Leben ist ein Teil des biologischen Gleichgewichts auf unserem Planeten«, versuchte sie zu erläutern. »Würden wir unser Atemgas
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