Am Samstag aß der Rabbi nichts
fragen sollte, ob
ich eine zweite Synagoge für notwendig halte, könnte ich nicht mit gutem Gewissen
ja sagen. Und sollte er fragen, ob es ein würdiges Projekt sei, eine nützliche
Anwendung des Geldes, so müßte ich ihm sagen, dass ich ein Dutzend bessere
Verwendungsmöglichkeiten wüsste.»
«Hast du Worte!» Schwarz schüttelte wütend den Kopf. «Das kommt
davon, wenn man den Leuten zu viel Sicherheit gibt. Als sie ihm den
Fünfjahresvertrag geben wollten, war ich dagegen. Und weiß Gott, ich wusste,
warum.»
«Er nimmt kein Blatt vor den Mund, dein Rabbi», meinte Ethel,
während sie das Spülwasser einlaufen ließ. «Aber ich versteh’s eigentlich nicht
… Es ist doch im Grunde für sein Wohl … Ich meine, die neue Synagoge wäre
schließlich für ihn da.»
«Das ist’s ja gerade. In gewissem Sinn würde er am meisten
davon profitieren. Warum ist er also dagegen? Soll ich dir sagen, warum? Um mir
eins auszuwischen. Einen anderen Grund gibt’s nicht.»
«Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat; auf alle
Fälle fand ich ihn ziemlich taktlos. Als unser Gast hätte er wenigstens sagen
können, dass er das Modell schön findet.»
«Das sag ich ja die ganze Zeit. Er hat sich geradezu Mühe gegeben,
möglichst unfreundlich zu sein. Und das kann sich doch nur gegen mich richten …
Vielleicht hat er noch nicht verdaut, dass ich gegen seinen Vertrag gestimmt
habe, und jetzt will er’s mir heimzahlen.»
«Glaubst du, dass er mit Goralsky darüber sprechen wird?»
«Er soll sich unterstehen! Dann sorg ich dafür, dass ihm der
Boden unter den Füßen zu heiß wird – Vertrag hin, Vertrag her.»
«Es hätte nichts geschadet, wenn du ein bisschen mehr
Begeisterung gezeigt hättest, David. Er hat sich solche Mühe gegeben, nett und
freundlich zu sein … Du hättest ihm wenigstens ein Kompliment über seinen
Entwurf machen können.»
«Ich wollte, Miriam, ehrlich. Aber ich konnte dann einfach
nicht … Ich musste mir dauernd vorstellen, wie lächerlich unsere Synagoge
aussehen würde mit diesem … wie war das? – klassischen, einfachen, eleganten
Monstrum daneben, und ich konnte beim besten Willen nicht heucheln. Sorensons
Gebäude ist bestimmt kein Meisterwerk, aber es hat eine schlichte Grazie, die
Schwarz verderben will, nur um zu beweisen, dass er nicht nur Supermärkte bauen
kann … Wir brauchen eine zweite Synagoge so dringend wie … wie eine Kegelbahn!
Hast du nicht gemerkt, dass es ihm gar nicht um die Synagoge geht? Es geht ihm
nur um die Reklame für sich selber.»
«Ich habe nur gemerkt, dass er sich Mühe gab, freundlich zu
sein. Und du hast ihn abblitzen lassen.»
«Schau, Miriam – ein Rabbi ist so etwas wie eine öffentliche
Institution; ich muss zu allen möglichen Leuten nett und freundlich sein. Ich
muss mich für Sachen interessieren, die mich zu Tode langweilen; ich muss mich
um Dinge kümmern, für die meine Zeit einfach zu schade ist … Ich tu’s trotzdem.
Ich tu’s, auch wenn es mir noch so widerstrebt, sobald es der Gemeinde etwas
nützen kann. Aber wenn ich Schwarz vorgeschwärmt hätte, wie herrlich sein Projekt
ist und welcher Segen es für die Gemeinde sein wird, einen zweiten Betsaal zu
haben … Miriam, das hätte doch nur den Sinn haben können, mich bei Schwarz
anzuschmeißen und meinen Posten zu sichern. Und das konnte ich nicht.»
Sie antwortete nicht, und ihr Schweigen war ihm
unbehaglich. «Was ist los, Miriam? Was bedrückt dich? Hast du Angst, Schwarz
könnte etwas gegen uns unternehmen?»
«Oh, David – du weißt, dass ich immer zu dir gehalten habe,
bei jeder wichtigen Entscheidung: Als du nach dem Abschlussdiplom
hintereinander drei Stellen ablehntest, weil dir die Gemeinde nicht passte, hab
ich nicht widersprochen, obwohl wir beide von meinem Sekretärinnengehalt leben
mussten … Ich hab dir sogar noch zugeredet. Es macht mir nichts aus, weiter ins
Büro zu gehen, hab ich gesagt, und unsere Einzimmerwohnung gefällt mir, auch wenn
sie im Winter eiskalt und im Sommer brütend heiß war, und …»
«Worauf willst du hinaus?», unterbrach er sie.
«Ach, David, damals hat das alles keine Rolle gespielt,
aber jetzt …»
«Was ist jetzt? Ist es jetzt anders? Lass ich mir etwa
teure Maßanzüge machen? Kauf ich mir seidene Hemden, seit wir in Barnard’s
Crossing sind?»
«Seidene Hemden! Ich wollte, deine Hemdkragen wären wenigstens
nicht durchgescheuert.»
«Komm zur Sache!», rief er ungeduldig.
«Die Sache ist die, dass alles schön
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