Am Samstag aß der Rabbi nichts
daran.
Nun haben wir, Marvin und ich, eine Lösung gefunden; wir
möchten von Ihnen nur wissen, ob aus ritueller Sicht auch nichts dagegen
einzuwenden ist …» Er zog die Skizze aus der Tasche und erläuterte Browns Idee.
Als er geendet hatte, stand der Rabbi auf. Er schaute
abwechselnd von einem zum anderen, als ob er seinen Ohren nicht traue. «Ist
denn ein Mensch ein Hund», fragte er mit verhaltenem Zorn, «dass ihr euch
anmaßt, seine Leiche nach Belieben herumzuschubsen? Vorige Woche habe ich zusammen
mit anderen Rabbinern eine Petition an das State Department unterschrieben,
worin ersucht wird, bei der Sowjetregierung gegen die Entweihung jüdischer
Gräber zu protestieren – und jetzt soll ich einwilligen, in unserem eigenen
Friedhof ein Grab zu entweihen, nur wegen des Aberglaubens von einem albernen
und unwissenden Greis und seinem ebenso albernen und unwissenden Sohn? Seit
wann verkaufen wir unsere religiösen Zeremonien dem Meistbietenden?»
«Moment mal, Rabbi. Wer entweiht da ein Grab? Wir haben
nicht die Absicht, Hirshs Grab zu schänden.»
Die Stimme des Rabbi war jetzt fast tonlos. «Eine
andersgläubige Frau bittet uns, ihren Mann auf unserem Friedhof zu beerdigen,
weil er Jude war. Sie betrachtet es als letzten Beweis ihrer Loyalität und
Liebe, wenn sie ihn bei seinem eigenen Volk zur Ruhe bettet. Und jetzt kommen
Sie und wollen sein Grab von allen anderen absondern? Wenn das keine Entweihung
ist … Sie hat im guten Glauben teures Geld gezahlt – drei oder viermal so viel
wie ein Platz auf dem Gemeindefriedhof gekostet hätte –, nur damit ihr Mann wie
ein Aussätziger begraben wird?»
«Ich wette, dass ich ihre Einwilligung kriege», sagte
Marvin.
«Es ist eine rein verwaltungstechnische Angelegenheit», sagte
Schwarz.
«Sie sind ein geschickter Verkäufer, Mr. Brown», fuhr der Rabbi
fort. «Es ist schon möglich, dass Sie die Witwe überzeugen können. Aber mich
werden Sie nicht überzeugen. Und ich betrachte es auch nicht als reine
verwaltungstechnische Angelegenheit, Mr. Schwarz. Ich werde da nicht
mitmachen.»
«Schade, dass Sie es so sehen, Rabbi», versetzte Schwarz. «Ich
sehe es als praktische Lösung eines praktischen Problems an. Mich gehen die
Lebenden mehr an als die Toten. Für mich ist es wichtiger, ob die Goralskys
auch weiterhin zu der Gemeinde gehören, als ob das Grab eines gewissen Isaac Hirsh,
der nicht einmal ein Gemeindemitglied war, auf der einen oder anderen Seite des
Weges liegt.»
«Ich kann das nicht gutheißen, und das werde ich auch dem
Vorstand sagen, sobald die Angelegenheit zur Sprache kommt.»
Schwarz lächelte. «Es tut mir Leid, Rabbi, aber wir werden auch
ohne Ihre Zustimmung handeln. Und vor den Vorstand wird die Angelegenheit gar
nicht kommen – sie betrifft einzig und allein die Friedhofskommission.»
«Dort werden wir selbstverständlich abstimmen», warf Marvin
ein.
«Abstimmung hin oder her, ich verbiete es.»
«Hören Sie, Rabbi, wir hätten ja gar nicht erst zu Ihnen kommen
müssen. Wir wollten nur nichts hinter Ihrem Rücken machen.»
«Aber jetzt sind Sie gekommen, und ich verbiete es.»
Schwarz zuckte die Achseln. Er erhob sich, und die beiden Männer
gingen. Der Rabbi stand neben seinem Schreibtisch und sah ihnen nach. Er war
zornig und verwirrt.
«Was soll das heißen, er verbietet es?», fragte Marvin.
«Kann er was dagegen tun?»
«Was denn?»
«Ich weiß nicht … Ein Rabbinergremium zusammenrufen oder so
was.»
«Unsinn. Unsere Synagoge ist eine autonome Körperschaft.
Der Rabbi ist bloß ein Angestellter. Das Einzige, was er tun kann, ist, seinen
Rücktritt einreichen, wenn ihm die Sache nicht passt.»
«Das wäre offenbar noch lange nicht das Schlimmste, was uns
passieren könnte.» Schwarz sah hoch. «Hast du was gegen ihn?»
Brown zuckte die Achseln. «Ich hab ein Geschäft. Ich hab einen
Haufen Angestellte. Und sie mögen so tüchtig sein, wie sie wollen – wer nicht parieren
kann, fliegt.»
«Hm, hm …» Schwarz nickte langsam. «Ja; genau das meine ich
auch. Sag mal, wer sitzt alles im Friedhofskomitee?»
«Sumner Pomeranz, Bucky Lefkowitz und Ira Dorman. Aber
keiner von ihnen rührt jemals auch nur den kleinen Finger.»
«Das sind drei. Du bist der Vierte … Hab ich nicht noch jemand
bestimmt, damit es eine ungerade Zahl ist?»
«Du bist ex officio dabei. Das macht fünf.»
«Gut. Wir brauchen also noch eine Stimme für die Mehrheit …
Knöpf dir die Leute schon mal vor, Marve, damit sie wissen,
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