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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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du ihm Ramsch andrehst,
bist du erledigt. Ich sage dir, Mort: Wenn rauskommt, dass etwas faul ist mit
dem Friedhof, kann ich gleich drei Viertel der Anwärter von der Liste
streichen.»
    «Aber wenn wir nichts unternehmen, können wir auch die
Goralskys streichen.»
    Marvin schien das nicht zu beeindrucken. «Zugegeben, es ist
ganz schön, jemand wie Ben Goralsky in der Gemeinde zu haben. Aber ich hab
keine Lust, jedes Mal ins Knie zu brechen, bloß weil er …»
    «Ich will dir was verraten, Marvin; du musst es aber für dich
behalten: Ich habe praktisch das Versprechen von dem alten Goralsky, dass er
eine zweite Synagoge stiften wird. Es geht nicht einfach um eine große Spende,
verstehst du – es geht um die ganzen Kosten von A bis Z. Ungefähr
hundertfünfzigtausend Dollar.»
    Marvin pfiff durch die Zähne. «Hundertfünfzigtausend?»
    «Vielleicht auch mehr.»
    Marvin zog einen Bleistift aus der Tasche. «Das ist was
anderes … Wart mal.» Er suchte nervös in seiner Rocktasche nach einem Stück
Papier.
    Schwarz schob ihm seinen Block zu.
    «Danke.» Er zeichnete ein Quadrat und malte ein kleines x in
die untere rechte Ecke. «Das ist der Friedhof … und da liegt das Grab von
Hirsh. Also: Goralsky behauptet, dass ein Selbstmörder in einer Ecke am Rand
des Friedhofs beerdigt werden muss, ja? Schön, also machen wir eine Ecke am Rand
…» Er zeichnete einen Kreis innerhalb des Vierecks, der die gesamte Fläche bis
auf die vier Ecken einschloss. «Wenn wir einen kreisförmigen Weg anlegen,
innerhalb dessen in Zukunft die Gräber liegen, so rutscht Hirshs Grab
automatisch in eine Ecke am Rand … Die wenigen anderen Gräber liegen
glücklicherweise alle innerhalb des Kreises. Na?»
    Schwarz starrte staunend auf die Zeichnung. «Marvin, du bist
ein Genie! Hast du dir das jetzt ausgedacht?»
    «Na ja, ich hab schon in einem anderen Zusammenhang mit dem
Gedanken gespielt. Wege müssen wir eines Tages ohnehin anlegen auf dem
Friedhof, und ein Ringweg ist die einfachste Lösung: Er garantiert den besten
Zugang zu allen Teilen des Friedhofs bei geringstem Geländeverlust … Wir brauchen
ja nur einen Teil auszubauen, wenn das Budget nicht reicht. Wir fangen einfach
in der Ecke an, in der Hirsh liegt.»
    «Also wirklich – du bist ein Genie», rief Schwarz noch
einmal.
    Marvin machte ein zweifelndes Gesicht. «Und der Rabbi?»
    «Der Rabbi? Wieso?»
    «Müssen wir’s ihm sagen?»
    Schwarz überlegte. «Ich glaube, ja. Schon um zu erfahren, ob
die Sache hieb- und stichfest ist.»

19
     
    «Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!», rief der Rabbi
bestürzt. «Wir leben schließlich nicht im Mittelalter!»
    «Aber Sie haben doch selbst dem alten Goralsky damit
gedroht, sagt sein Sohn», entgegnete Schwarz.
    «Gedroht? Ich wollte ihn ins Bockshorn jagen, das ist
alles. Er wusste sehr genau, dass es mir nicht Ernst damit war. Es ging doch
nur darum, ihn dazu zu bringen, dass er seine Medizin einnimmt – ich hab’s
Ihnen doch schon in der Synagoge erzählt.»
    «Ja, aber Ben Goralsky hat es jedenfalls ernst genommen», gab
Schwarz zurück.
    «Damals bestimmt nicht», wandte der Rabbi ein. «Und überhaupt,
weshalb soll Hirsh Selbstmord verübt haben? Die Polizei hat Tod durch Unfall
festgestellt. Überdies habe ich noch mit dem Polizeichef darüber gesprochen,
und er findet, dass alle Indizien eindeutig auf einen Unfall hinweisen!»
    «Und wenn es sich zum Schluss doch herausstellen sollte, dass
es Selbstmord war?», beharrte Marvin. «Müssten wir … müssten Sie dann nichts
unternehmen?»
    «Was wollen Sie da unternehmen? Er wurde beerdigt – und das
ist bereits eine läuternde Handlung. ‹Die Erde ist des Herrn und alles, was sie
füllet.› Wollen Sie etwa sagen, dass die sterbliche Hülle dieses Menschen
Gottes Erde verunreinigt? Und wenn dem so wäre – wie weit reicht die
Verunreinigung? Bis zur Friedhofsgrenze, die das Katasteramt festgelegt hat?
Oder bis zur Küste? Oder greift sie aufs Meer über?»
    «Vielleicht gibt’s irgendein Gebet …»
    «Ach, ich soll irgendeinen Hokuspokus über dem Grab machen.
Haben Sie das gemeint, Mr. Brown?»
    «Schauen Sie, Rabbi», sagte Schwarz, «wir sind praktische Leute,
und wir stehen vor einem praktischen Problem. Ob der Friedhof unrein ist oder
nicht, kümmert Marvin und mich einen alten Hut. Aber Ben Goralsky und sein
Vater, die nehmen es damit sehr genau. Nennen Sie es Aberglauben, wenn Sie
wollen, nennen Sie es Unwissenheit – jedenfalls nehmen sie Anstoß

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