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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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teils. Die einen
finden ihn zu reserviert; einen unnahbaren Rabbi mag man nun mal nicht. Andere
wieder mögen seine Freitagabendpredigten nicht … Aber denkt nur nicht, er hätte
keine Freunde; im Gegenteil. Vielen gefällt die Art, wie er spricht – mit
gesundem Menschenverstand und nicht der übliche Mumpitz. Manche finden auch, er
sollte sich anständig anziehen und nicht wie ein Buchhalter mit fünfundsiebzig
Dollar die Woche. Aber eben das kommt ihm auch oft wieder zugute – es spricht
bei den Frauen den mütterlichen Instinkt an. Und Frauen haben viel Einfluss auf
ihre Männer.»
    «Und seine Anhänger?»
    «Na, wie gesagt, er hat seine Freunde; eine feste
Gefolgschaft kann man’s nicht nennen. Aber er ist nicht der Typ, der sich um so
was kümmert … Was macht denn ein Rabbi als Erstes, wenn er eine neue Stelle
angetreten hat und nur ein bisschen gerissen ist? Er streckt die Fühler aus,
wer wichtig ist in der Gemeinde und wer nicht. Dann organisiert er seine
Partei, seine Clique. Wenn er dann irgendwas haben will, wendet er sich nicht
an den Vorstand, sondern steckt es einem seiner einflussreichen Freunde – und
bevor man ‹gut Schabbes› sagen kann, ist die Sache erledigt.»
    «Ja, so ungefähr.»
    «Aber unser Rabbi hat keine solche Clique hinter sich.»
    «Und Wasserman und Becker und Dr. Carter?»
    Sussman schüttelte den Kopf. «Das ist keine Clique.
Wasserman unterstützt ihn, weil er ihn hergebracht hat, und Becker fühlt sich
ihm verpflichtet, weil der Rabbi damals seinem Partner aus der Patsche geholfen
hat, als der unter Mordverdacht stand.»
    «Schön», sagte Schwarz zusammenfassend, «dann sind wir uns
also einig …»
     
    Marvin Brown blieb noch zurück, nachdem die anderen
gegangen waren. «Weißt du, Mort, wenn da doch noch was schief geht, stehen wir
schön da …»
    «Aber ich bitte dich – was soll da noch schief gehn? Nel Bloomberg
hat uns das Stichwort gegeben, als er sagte, der Rabbi bekämpfe praktisch den
Fortschritt. Das wird jetzt unsere Parole: Der Rabbi ist gegen den
Fortschritt.»
    «Ich spreche nicht vom Rabbi, sondern vom alten Goralsky.
Was für Garantien hat er dir gegeben?»
    «Es ist so gut wie sicher. Der einzige Hemmschuh war Ben, aber
jetzt wird er auch auf unserer Seite sein.»
    «Ja? Wie meinst du das?»
    «Als er mich wegen der Friedhofsgeschichte anrief, machte
er eine Anspielung, dass sein Vater dem Bau einer kleinen Synagoge nicht
abgeneigt sei; aber er drohte, dass wir sie nicht bekämen, wenn wir die Sache
nicht in Ordnung brächten. Wenn wir’s hinkriegen und ihm erzählen, dass wir deswegen
mit dem Rabbi Krach hatten, wird er nicht mehr gut kneifen können.»
    «Vielleicht nicht, aber … Ach, du weißt doch, wie so was manchmal
ausgeht. Er kann’s hinausschieben. Der Alte kann sagen, er hätte es in sein
Testament aufgenommen … Warum nicht?», fragte er, als Schwarz den Kopf
schüttelte.
    «Weil ich gerade beschlossen hab, dass wir den Bau ‹Hannah-Goralsky-Synagoge›
nennen werden. Kapiert? Es wird eine Synagoge zum Andenken an seine Frau
beziehungsweise Bens Mutter. Wird da der Alte nicht bei der Grundsteinlegung
und bei der Eröffnungsfeier dabeisein wollen? Und beim ersten Gottesdienst als
Erster zur Thora aufgerufen werden?»
    Marvin Brown musste lachen. «Du bist nicht auf den Kopf gefallen,
Mort. Ich glaube, wir haben den Rabbi endgültig ausgespielt.»
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    21
     
    Am Samstag beim Morgengottesdienst hatte der Rabbi starke Halsschmerzen.
Als er nach Hause kam, fühlte er sich schlapp und hatte keinen Appetit. Er
hatte vorgehabt, den Nachmittag im Studierzimmer der Synagoge zu verbringen, aber
die Glieder taten ihm so weh, dass er sich auf die Wohnzimmercouch legte und
einnickte. Am Nachmittag fühlte er sich etwas besser und ging zum
Abendgottesdienst. Als er nach Hause kam, hatte er Schüttelfrost und einen
heißen Kopf. «Hast du dich erkältet?», fragte Miriam, als er laut niesen musste.
Sie legte die Hand auf seine Stirn. «Du bist heiß. Wahrscheinlich hast du
Fieber.»
    «Ach wo. Es geht mir ausgezeichnet.» Aber er musste wieder
niesen. Sie ging ins Badezimmer und erschien gleich wieder mit dem
Fiebermesser. Mit fachmännischer Handbewegung schüttelte sie ihn und steckte
ihn trotz seinem Protest in seinen Mund.
    « 38 , 1 . Du
hast Fieber», erklärte sie. «Zieh dich sofort aus, David, und ins Bett mit
dir.»
    «Mach doch kein Theater wegen einer kleinen Erkältung»,

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