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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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gekommen, dass Schwarz meinen Brief
unterschlagen könnte.»
    «Und wenn er ihn vorgelesen hätte und der Vorstand hätte auf
ihn gehört?»
    «Das glaube ich nicht – und schon gar nicht, wenn ich dabei
gewesen wäre und den Fall geschildert hätte.» Bis jetzt hatte er sich zu
rechtfertigen gesucht; jetzt änderte er den Ton. «Und wenn sie’s trotzdem getan
hätten, wäre mir nichts anderes übrig geblieben, als zurückzutreten. Für mich ist
das eine grundsätzliche Frage.»
    «Und was tust du jetzt?»
    Er zuckte die Achseln. «Was kann ich tun? Ich habe die
Fäden nicht mehr in der Hand. Hoffen wir, dass Wasserman und Becker genug
Rückendeckung bekommen …»
    «Und du wirst mit verschränkten Armen dasitzen und warten,
wie die Sache ausgeht?»
    «Was soll ich denn sonst tun?»
    «Wenn es um die Entweihung eines Grabes geht, kannst du
dich ja an die Behörden wenden. Oder mit Mrs. Hirsh sprechen, damit sie es
tut.»
    Er schüttelte den Kopf. «Das geht nicht. Ich bin immerhin bei
der Gemeinde angestellt, und wenn ihre Vertreter etwas gegen meinen Willen
beschließen, kann ich nicht zu den Behörden laufen und mich beklagen.»
    «Mir scheint», versetzte sie bissig, «dass dir der Streit
mit dem Vorstand mehr Sorgen macht als das Grab von Hirsh. Du erklärst dich
nicht solidarisch mit ihnen – schön und gut. Aber wenn es dir wirklich so sehr
um die Entweihung des Grabes geht, warum tust du nichts dagegen?»
    «Nun …»
    «Du könntest zumindest beweisen, was in Wirklichkeit geschehen
ist.»
    «Ach nee … Wie denn?»
    «Na, dieser Kerl von der Versicherungsgesellschaft
schnüffelt doch auch in der ganzen Stadt herum und will beweisen, dass es
Selbstmord war. Wegen der Summe, die seine Gesellschaft …»
    «Er kann genauso wenig beweisen, dass es Selbstmord war,
wie ich beweisen kann, dass es ein Unfall war.»
    «Ja, aber er kann ihr einen Haufen Scherereien machen … David,
du musst etwas unternehmen.»
    «Aber was, Miriam? Was?»
    «Ich weiß nicht … Schließlich bist du der Rabbi! Es ist
deine Sache. Wenigstens könntest du’s versuchen.» Ihr Gesicht war angespannt.
    Er sah sie an. «Gut, Miriam», sagte er langsam. «Ich will
es versuchen … Ich rufe Lanigan an, damit er mit mir den ganzen Fall durchgeht.
Vielleicht kommen wir der Sache auf die Spur.»
    «Nein, nein, nein! Das machen wir anders», sagte Lanigan. «Sie
sind schließlich krank; ich komme heute Abend zu Ihnen und bringe die ganzen
Unterlagen mit.»
    «Ja, aber … Ich möchte Ihnen keine Umstände …»
    «Sie tun mir sogar einen Gefallen. Gladys hat ein paar Freundinnen
eingeladen, und ich hab keine große Lust, in ein Damenkränzchen zu geraten.»
    «Ach so … Das ist was anderes!» Der Rabbi lachte.
    «Ach, sagen Sie …» Dem Polizeichef fiel noch etwas ein: «War
Charlie Beam bei Ihnen?»
    «Beam?»
    «Der Mann von der Versicherung, der die Untersuchung macht
… Kann ich ihn mitbringen?»
    «Gut, bringen Sie ihn mit.»
    «Fein», sagte Lanigan. «Ich freue mich schon drauf.»
    «Na, hören Sie mal – finden Sie den Anlass wirklich so …»
    «Nein; natürlich nicht. Aber die Umstände: Sie wollen, dass
es ein Unfall war; Beam will beweisen, dass es Selbstmord war … Und ich hänge
ausnahmsweise nicht drin. Mich geht’s nichts an – ich darf zusehen, wie ihr
euch in den Haaren liegt …»
     
     
     
     
    23
     
    Der Gäste wegen hatte der Rabbi den Schlafrock abgelegt und
Hosen und ein Sporthemd angezogen. Nach der Begrüßung blieb Miriam im Zimmer.
Sie fand, dass die Besprechung auch sie anging.
    «Am besten wiederhole ich die Fakten, soweit sie uns
bekannt sind», begann Lanigan. «Später können wir darüber diskutieren.» Er
schlug ein Aktenheft auf. «Also … Isaac Hirsh, wohnhaft Bradford Lane,
verheiratet, Hautfarbe weiß, einundfünfzig Jahre alt, ungefähr einssechzig
groß, Gewicht sechsundachtzig Kilo … Kannten Sie ihn, Rabbi?»
    Der Rabbi schüttelte den Kopf.
    «Er hatte ungefähr Charlies Statur. Vielleicht etwas
kleiner …»
    «Ich bin einssiebenundsechzig», sagte Beam.
    «Ja, so hätte ich’s auch geschätzt. Ich hebe das besonders hervor,
weil es eine Rolle spielt bei der Sache … Es ist Freitagabend, der Vorabend des
Versöhnungstages. Hirsh kommt wie gewohnt kurz nach sechs nach Hause. In diesem
Fall ist das ungewöhnlich, weil praktisch alle jüdischen Angestellten wegen des
Feiertags schon früh freigenommen haben. Hirsh war zwar Jude, aber er ging
nicht zur Synagoge und arbeitete deshalb den

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