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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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auf alle Fälle kein Katholik. Er ist auch noch nicht so sehr lange Pfarrer.
Und früher hat er Football gespielt – ’n Kerl wie ein Kleiderschrank ist das.
Er ist im gleichen Alter wie die Hirsh. Und unverheiratet. Und jetzt ist er weg.»
    «Willst du mir einreden, dass er getürmt ist?»
    «Na ja – ist doch komisch, nicht? Wo seine Gruppe erst in ein
paar Tagen fährt … Er sollte mit den anderen fahren, und jetzt hat er die Reise
vorverlegt.»
    «Worauf willst du hinaus?»
    «Er ist abgehauen, gleich nachdem im Examiner stand,
dass im Zusammenhang mit dem Tod von Mr. Hirsh möglicherweise was nicht
stimmt.»
    30
    An diesem Freitag fühlte sich Miriam ziemlich elend. Sie hatte
während ihrer ganzen Schwangerschaft kaum Beschwerden gehabt, aber heute war
sie todmüde und hatte geschwollene Füße von der zusätzlichen Hausarbeit für die
Vorbereitung des Sabbat. Ihr Mann hätte sich bestimmt Sorgen gemacht, wenn sie
gesagt hätte, sie wolle lieber nicht zur Synagoge gehen; so fragte sie ihn nur,
ob sie heute nicht ausnahmsweise fahren könnte.
    Darüber machte er sich natürlich auch Sorgen. «Fühlst du dich
nicht gut? Oder … Ist es schon …»
    «Nein, es ist noch nicht so weit.» Sie zwang sich ein
Lächeln ab. «Es ist nur, weil ich den ganzen Tag auf den Beinen war, ich kann
kaum noch laufen … Ich ruf die Margolis an, ob sie mich mitnehmen.»
    «Kommt nicht infrage. Du fährst mit mir.»
    «Aber David, du fährst doch nicht am Sabbat!»
    «Heut fahr ich eben; basta.»
    «Und wenn sie dich vorfahren sehen? Dann wird es heißen,
jetzt, wo er zurücktritt …»
    Er lachte. «Ach so – der große Heuchler, jetzt zeigt er sein
wahres Gesicht, weil’s nicht mehr drauf ankommt? Lass sie denken, was sie
wollen. Komm jetzt.» Er nahm ihren Arm und führte sie zum Wagen.
    Und dann sprang der Motor nicht an. Fünf Minuten später
betätigte David immer noch den Anlasser … Nichts. Er murmelte allerlei
Unfreundliches, und Miriam wollte gerade munter verkünden, sie sei gar nicht
mehr müde und es mache ihr nichts aus, zu Fuß zu gehen – da sprang der Motor
an.
    Sie fuhren die Straße hinunter, und der Rabbi wollte nach rechts
abbiegen.
    «Nach links», dirigierte ihn Miriam.
    «Aber die Synagoge ist rechts», protestierte er.
    «Mit dem Wagen haben wir reichlich Zeit.»
    Er zuckte die Achseln, als wolle er sagen, wer kann schon mit
einer schwangeren Frau diskutieren, und tat, wie ihm geheißen.
    Ein paar Blocks weiter sagte sie: «Halte mal an.» Er
merkte, dass sie vor der Zentrale der Taxigesellschaft von Barnard’s Crossing
standen, und ihm ging ein Licht auf.
    «In letzter Zeit hatten wir Scherereien mit unserem Wagen»,
erklärte Miriam dem Besitzer, der herausgekommen war. «Ich muss irgendwann in
den nächsten Tagen ins Krankenhaus … Kann man Sie zu jeder Zeit rufen?»
    «Vierundzwanzig Stunden am Tag, Mrs. Small.»
    «Und was passiert, wenn alle Wagen unterwegs sind?», fragte
der Rabbi.
    «Keine Bange, Rabbi. Ich hab vier Taxis laufen, und es
passiert so gut wie nie, dass alle vier gleichzeitig unterwegs sind … ja,
neulich, an dem hohen Feiertag in Ihrer Synagoge, da ging’s eine Weile wild zu
– so bis kurz nach halb acht. Aber dann war Schluss. Aus. Gar nichts mehr … Der
nächste Wagen wurde irgendwann nach Mitternacht gebraucht. Ich weiß nicht, wie
Ihre Leute heimgekommen sind», schloss er etwas pikiert.
    «Dann können wir uns also auf Sie verlassen, falls mein Mann
Schwierigkeiten mit unserem Wagen hat?», überbrückte Miriam geschickt die
peinliche Pause.
    «Hundert Prozent, Mrs. Small. Ich bring Sie sogar mit Zwillingen
garantiert rechtzeitig hin.» Er lachte schallend über seinen eigenen Witz.
    Als sie losfahren wollten, streikte der Wagen wieder. Der Taxibesitzer
legte ein fachmännisches Interesse an den Tag.
    «Muss der Vergaser sein», erklärte er. «Das sollten Sie
bald reparieren lassen.»
    In dem Moment sprang der Wagen an. «Wird gemacht», rief der
Rabbi dem Mann zu und fuhr los.
    «Ich bin froh, dass du daran gedacht hast», meinte er.
«Sicher ist sicher.»
    «Ist es nicht eher, weil du Lanigan nicht gern um eine
Gefälligkeit bitten möchtest? Ich meine, dass er einen Streifenwagen schickt,
falls …»
    «Ach wo», murmelte er abweisend.
    Der Parkplatz hinter der Synagoge schien heute voller als sonst
beim Freitagabendgottesdienst.
    «Sie haben sicher alle von deinem Rücktritt gehört», meinte
Miriam, «und jetzt wollen sie dir zeigen, dass sie dir die Stange

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