Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
architektonisch gerade in Großbritannien vorherrschenden Mode des Regency verbunden. Das Ziel waren feine Proportionen im klassizistischen Gewand. Bei dem sich auch gotische Formen fanden. Und ein ganz klein bisschen Barock vielleicht. Ein hübsch eklektizistischer Mix! An diesem Punkt wird mir ebenfalls wieder bewusst, wie relativ Zeit doch ist. Nicht nur im physikalischen Sinne, sondern auch in der Wahrnehmung von kultureller Historie. In vielen Ländern der Erde, die in den »Genuss« einer systematischen Kolonialisierung durch die Staaten desalten Europas kamen, wird der Blick des fasziniert dreinblickenden Touristen auf alte kolonialistische Gemäuer gelenkt. Mehr oder weniger prachtvolle Bauten erwecken den Eindruck, hier lägen die zu bewundernden kulturellen Wurzeln von Rio de Janeiro, New Orleans oder jeder anderen für diesen Stil bekannten Stadt. Bei aller Ehrfurcht vor den Früchten historischer Bautätigkeit versuche ich mir direkt gewahr zu werden, dass diese Gebäude eher Neubauten auf dem Zeitstrahl der Zivilisation sind. Nicht die ursprünglichen zivilisatorischen Zeugnisse der Region bekommt man hier zu sehen, sondern die kulturellen Mitbringsel der Kolonialherren. Häppchenweise exportierte Heimat. Freuen wir uns am Rhein über uralte Gemäuer aus römischer bis mittelalterlicher Zeit, sind die kolonialen Bauwerke einfach einige Hundert Jahre jünger und vieles, was dort zuvor existierte, eliminiert.
Das schmälert bei mir den Respekt, wenn mit Stolz auf den historischen Kern einer solchen Stadt hingewiesen wird, ohne zu erwähnen, was dafür weichen musste. Ich versuche dann das Präsentierte in die richtige zeitgeschichtliche Schublade zu verfrachten. Und die ist relativ weit oben unter dem Besteckfach. In den großen Fächern weiter unten, wo die Vasen und Kasserollen der Großeltern verstaut sind, ist kein Platz mehr. Ich bringe es nie über mich, diese Dinge zu entsorgen.
Endlich kommen wir an, und mein Herz geht auf. Als ich das Wohnmobil verlasse, weht mir vom nahe gelegenen Meer eine frische Brise entgegen. Der unverkennbare Geruch von Salzwasser dringt in meine Nase. Und trotz meines doch recht distanzierten Verhältnisses zum Strand an und für sich, spüre ich neue Energie in meinen müden Knochen.
Wir sind nicht direkt bis ans Meer gefahren, obwohl das hier interessanterweise problemlos ginge, da der Strand Teil des offiziellen Straßennetzes ist. Wenn auch mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 Kilometern pro Stunde – mehr darf man auf der Coast Road nicht fahren.
Nein, wir parken erst einmal vor dem Büro des Freizeitanbieters. Und da sehe ich sie schon: die Quads! Ich ziehe meinen Reißverschluss höher, setze die Sonnenbrille auf, schiebe die Schirmmütze nach vorne und – setze mich wieder in den Wagen.
Und das nur, weil Claudia, die Produktionsleiterin im Team, die immer ein Lächeln im Gesicht hat, sagt:
»Du bist nicht versichert. Wenn was passiert, fällt der ganze Dreh ins Wasser.«
»wir hatten das mal bei bernd das brot«, ergänzt Tommy.
Ich bin ja schon weg.
»das ist eine handpuppe«, dreht er sich nun zu Katie, »da hat der puppenspieler …«
»Amazing!«, unterbricht sie ihn.
Am Strand beginnen sogleich die Vorbereitungen, um die Aufgabe des heutigen Tages zu erfüllen: meinen Namen mit Handtüchern in den Sand zu legen. Im Vorfeld war völlig unklar, wie viele Handtücher wir wohl brauchen würden. Jetzt wird überlegt, hochgerechnet und geraten. Ich baue derweil eine kleine Tabelle mit vielen Einsen und lasse den Computer dann die Summe berechnen:
»Erster!«, rufe ich. »Wir brauchen 80!«
»was«, fragt Tommy.
»80 Handtücher.«
»wofür«
»Den Namen.«
»woher …«
»Also, ich habe eine Tabelle gemacht und dann jeweils …«
»wir haben aber nur 30«
»Was?«
»handtücher«
»Wofür?«
»deinen namen«
»Oh.«
Wir haben gerade einmal 30 Handtücher, und das auch noch in zwei Größen. Ich kann also mit meiner tollen Berechnung nichts, aber auch gar nichts anfangen. Und bis auf ein »danke bernhard« kam auch nicht besonders viel seitens der Regie.
Dafür habe ich aber eine andere, völlig abgefahrene Idee: Es gibt eine Totale, in der man sieht, wie ich die Buchstaben lege und immer die ganz vorn befindlichen Handtücher aufhebe, um sie an den noch fehlenden Teil des nächsten Buchstabens anzulegen. Wenn man jetzt die Aufnahme in Highspeed, also ganz schnell, also so huihuihui abspielt, wäre der Schriftzug wie auf einer
Weitere Kostenlose Bücher