Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
wir so«
Ausgeschlafen bin ich wenigstens, da ich den Jetlag dadurch überlistet habe, dass ich am Vorabend pünktlich um 23 Uhr im Bett gewesen bin. Plus siebeneinhalb Stunden Schlaf, macht das als Aufwachzeit 6:30 Uhr, und das wiederum ist unsere Abfahrtszeit. Somit beginnt der Tag für mich zur normalen Ortszeit, auch wenn mein Körper durch die Zeitverschiebung von Kopf bis Fuß auf Abend eingestellt ist. Also für meinen Körper.
Wie bereits erwähnt, hätte man meinen Allgemeinzustand am vorangegangenen Abend allerdings nicht gerade als fit bezeichnen können. Das erste gemeinsame Team-Essen fand in einem Restaurant namens 35° statt. Es liegt, wie derName schon sagt, exakt auf dem 35sten Längengrad. Süd. Es gab klassische neuseeländische Einwandererküche. Englisch. Viele und vor allem dicke Fleischstücke. Eigentlich ist das eine Art der Ernährung, der ich nicht gerade abgeneigt bin, aber zu jenem Zeitpunkt stand mir der Sinn eher nach etwas Leichtem. Einem Salat. Mit dicken Fleischstücken. Als die Kellnerin an den Tisch kam, musterte sie mich von oben bis unten. Statt: »Can I take your order, Sir?« sagte sie: »Uuuuaaa, ich kenn dich!«
Da ist man gerade mal 40 Stunden um den Globus gereist, und am Ende der Welt trifft man eine deutsche Kellnerin. »Ich hab ’nen Kiwi kennengelernt und bin ihm gefolgt«, erklärte sie ihre Anwesenheit.
Der musste schon ein Früchtchen sein, dachte ich.
»Kann ich ein Autogramm haben?«, fragte sie.
Natürlich gab ich es ihr.
Ich schrieb »Tommy« und malte ’ne Backware als Handpuppe. Schön, in der Fremde zu sein.
Dem Planungsgespräch für den nächsten Tag konnte ich kaum folgen, da ich leider regelmäßig mit dem Gesicht in den Salat fiel. Zum Glück war ich so müde, dass ich die Gabel falsch hielt und immer wieder wach wurde, wenn die Zinken sich in meine Augäpfel bohrten. Jetzt weiß ich, warum Gabeln im christlichen Mittelalter als Teufelszeug verboten waren.
Offenbar hat sich der mickrige Dreizack bei deinem Versuch, in seiner Gegenwart wegzudösen, ansatzweise in deinen Hauptspeicher gebohrt und einige Faktenstränge zertrennt. Die Gabel war mitnichten im Mittelalter verboten, es waren damals einfach sehr wenige in Umlauf. Lediglich bei Hildegard von Bingen und in wenigen anderen Quellen lassen sich daher Behauptungen finden, dieses Besteckteil sei von gottloser Natur. Zu Beginn einer schleichenden Verbreitung des mittlerweile als nützlich anerkannten Tischwerkzeugs war es eher ein »Gender-Problem«. Martin Luther und Erasmus von Rotterdam befanden das Gerät als »weibisch« und somit ablehnenswert unmännlich. Später meinte der mit dem Mittelalter beschäftigte Autor Ernst Schubert darüber hinaus, dass es die Mistforke und nicht die Gabel gewesen sei, die als Accessoire des Teufels verunglimpft wurde.
Dank meiner Weck-Gabel merkte wenigstens keiner, was mit mir los war. Hunger hatte ich sowieso nicht. Wie gesagt bin ich ein Nicht-Frühstücker, aus biologischen und ideologischen Gründen. Der Körper an sich befindet sich nachts in einer Phase, in der er kein Hungergefühl erzeugt. So was wie natürliches Fasten, und das setzt mein Körper morgens einfach fort. Hunger bekomme ich erst ab elf oder zwölf Uhr, dann darf es aber auch direkt ein Schnitzel sein.
Meine innere Uhr war nach der Reise genau um zwölf Stunden verstellt, also fand das Abendessen aus Sicht meines Körpers um acht Uhr morgens statt. Aber ich hatte ja die Körpernacht durchgemacht. Deshalb bekam ich nicht genug Appetit, um richtig, aber doch zu viel Hunger, um nichts zu essen. Glücklicherweise musste ich mir keine Gedanken machen, ob es sichlohnen würde, etwas zu bestellen. Ich war immerhin eingeladen. Keine Ahnung mehr, von wem, aber als ich, vor Müdigkeit schielend, zu Renate, meiner treusorgenden Begleitung, blickte, nickte sie nur mit dem Kopf und bedeutete mir zu gehen. Vielleicht hab ich mich ja damit selbst eingeladen.
Am nächsten Morgen hatte ich so viel Hunger wie sonst nur abends um sechs. Wenn man den Tag über nichts gegessen hat.
Jetzt, hier im Wohnmobil, habe ich nach all den Stunden, die ich schon hier bin, endlich einmal die Ruhe und Muße, das Land auf mich wirken zu lassen.
Mein Blick schweift über den Rand meines Laptops, der vor mir auf dem kleinen Tischchen steht, und während wir so durch die Gegend juckeln, spazieren meine Gedanken davon, und ich sehe mich auf einmal wie aus der Vogelperspektive. Wahnsinn! Ich bin auf der anderen Seite
Weitere Kostenlose Bücher