Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
jahrzehntelangen Warteschleife zum Einstieg in die gelobte Werbebranche, und die beginnt nun mal hier, hinter dem Tresen.
Das Treffen fand in einem »Conference Room« statt. Ein großer Tisch, viele kleine Flaschen mit sehr leckeren Säften darin. Natürlich durfte auch eine Auswahl von Kaffeesorten nicht fehlen. In Designergläsern mit Schnörkellöffeln wurde er von einer weiteren Praktikantin kredenzt. Hinter uns befanden sich die bereits gewonnenen Preise, anfänglich waren diese offensichtlich noch auf dem niedrigen Wandschrank fein drapiert worden, inzwischen schien man das aufgegeben zu haben und sie aufgrund der Fülle nur noch übereinanderzustapeln. Urkunden standen an die Wand gelehnt dazwischen. Was für ein schweres Schicksal, wenn die Auszeichnungen schneller über eine Firma hereinbrechen, als es dauert, einen Nagel in die Wand zu schlagen.
Am Tisch saßen unglaublich viele Menschen, die alle Papier vor sich liegen hatten. Natürlich gab es auch Laptops, Tablet-PCs und dergleichen, aber Papier wirkt natürlich viel kreativer, näher am Gedanken. Ich hatte nur so ein Auf-der-Scheibe-Rumwischgerät dabei und kam mir furchtbar altbacken vor. Außerdem gab’s hier kein Netz oder die Agentur war riesengroß, denn der Typ, der uns das Passwort bringen wollte, war verdammt lange unterwegs. Gut, dass hier eine Online-Kampagne geplant werden sollte.
Während wir auf den Internetzugang warteten, sah ich mich um. Jeder hier im Raum hatte allwissende Ahnungslosigkeit im Blick. Das kannte ich bisher nur von Fernsehredakteuren.
Vor dem Fenster hing eine große Leinwand. Diese war automatisch in der Höhe zu regulieren, versteht sich. An der Decke war der sanft vor sich hin surrende Beamer angebracht. Ja, es würde eine dieser multimedialen Präsentationen geben. DieDolby-Surround-5.1-Anlage würde mich in den bequemen Bürostuhl drücken, der mir wohl nur deshalb zugestanden wurde, um mich williger zu machen. Sollte hier irgendetwas dem Zufall überlassen sein?
Ich kommentierte natürlich alles, was mir vor die Retina kam: »Oh, ein Tischtelefon«, »Häppchen lecker, kann ich eimpfs Habpfen schmatz«, »Klebezettel, toll«.
Dann wurde das Licht gedimmt, und ich lehnte mich, einen Latte Macchiato in der Hand, zurück, und harrte der Präsentation, die nun mein Bewusstsein verändern wür… sollte. Eigentlich.
»Hm… eben hat’s noch geklappt«, sagte Elke, die Leiterin und Inspiratorin des ganzen Projektes.
Yes, es waren auch nur Menschen.
Über die EDVlerischen Schwächen der Werbeexperten in Erwartung einer amtlichen Präsentation hinwegzusehen, zeugt wahrlich von deiner charakterlichen Größe. Niemals werden diese Vortragenden allerdings in den digitalen Olymp der PowerPoint-Präsentatoren vordringen. Denn da sitzen wir bereits. Weißt du noch? Unsere erste Lesung in Zürich? Wir waren gekommen, um vor den Massen nicht nur aus dem Buch unserer Rallye-Abenteuer vom Allgäu in den Orient zu rezitieren, sondern um gleichzeitig eine bombastische Multimedia-Show abzufeiern. Unter dem Motto »Wer unsere digitalen Visionen teilt, braucht keine Fantasie mehr!« machten wir uns an die Planung. Gigabyteweise erstellten wir Videoclips und fotografische Präsentationen, um eine neue Ära in der Darstellungskunst von Reiseimpressionen einzuleiten. Und endeten dann … ehrlich gesagt doch im Gewölbekeller des Olymps. Mein Laptop verstand sich nicht mit dem Projektor, ich fand die Dateien nicht wieder, und du hattest vergessen, wie man einen Computer bedient, der nicht mit angeknabbertem Fallobst verziert ist. Dies betreffend wurde es eine desaströse Vorstellung. Vor und mit Publikum. Aber lustig war’s!
Ich kann mich leider noch sehr gut daran erinnern. Insbesondere an das Gesicht meines Schweizer Informatikerfreundes, der in der zweiten Reihe so ziemlich jeden Gesichtsausdruck auf sein Gesicht zauberte, den das menschliche Emotionsspektrum zur Verfügung stellt. Als ich in der Frankfurter Werbeagentur saß und die Versuche beobachtete, versuchte ich mir jede einzelne dieser Mimiken aus der Erinnerung hervorzukramen und zum Besten zu geben.
Elke gelang es einfach nicht, die Präsentation des Laptops auf dem Bildschirm an der Wand erscheinen zu lassen. Natürlich bot ich sofort meine Hilfe an.
»Hast du den zweiten Monitor aktiviert?«, »Schau mal in den Systemeinstellungen?«, »Eigentlich muss man das bei dem System nur einstöpseln und …«
Ich glaube das Wort »eigentlich« hätte mich fast den Job
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