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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Mein Gott«, stöhnte ich leise, als die beiden sich aus ihrer Umarmung lösten und auf mich zukamen.
    Colin Friendly erschien mir größer, als ich ihn in Erinnerung hatte, und wenn er auch etwas dünner wirkte, so war er doch entschieden muskulöser als noch vor wenigen Wochen. Wahrscheinlich trainiert er, dachte ich, als ich unsicher aufstand und überlegte, wie ich reagieren sollte, wenn er mir zum Gruß die Hand reichen würde.
    Er tat es nicht.
    »Colin«, sagte Jo Lynn, an seinem Arm hängend, »ich möchte dich mit meiner Schwester Kate bekanntmachen. Kate, das ist Colin, die Liebe meines Lebens.«

    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Kate«, sagte er ungezwungen. »Ihre Schwester erzählt viel von Ihnen.«
    Oder jedenfalls etwas in dieser Richtung. Ich weiß wirklich nicht mehr genau, was an diesem Morgen oder überhaupt während unseres Besuchs gesprochen wurde. Die Stunden stolpern in Fetzen durch mein Gedächtnis, so erschreckend und grausam wie ein heimtückischer Überfall. Ich erinnere mich nur an Bruchstücke unseres Gesprächs, einige unvergeßliche Worte, ein oder zwei beklemmende Sätze, während ein Gesprächsthema ins andere überging, eine Stunde in der nächsten verschwand.
    »Ihr seht nicht aus wie Schwestern«, sagte Colin Friendly, als wir uns wieder setzten, Jo Lynn neben Colin, Hand in Hand mit ihm, obwohl eigentlich jede Berührung verboten war. Den Häftlingen waren Umarmungen zur Begrüßung und zum Abschied gestattet, mehr nicht, aber die drei Aufseher, die zugegen waren, drückten meist beide Augen zu bei den vielen Regelverstößen aller Art, die kaum zu übersehen waren.
    »Verschiedene Väter«, sagte ich.
    »Ja, das hat Jo Lynn mir erzählt.«
    »Ist er nicht der tollste Mann, der dir je begegnet ist?« sagte Jo Lynn und kicherte wie eine Vierzehnjährige. Sie neigte sich zu ihm hinüber, so daß ihr Busen seinen Arm berührte, und strich ihm eine dunkle Locke aus der hohen Stirn.
    Er lachte mit ihr. »Du bist jedenfalls die tollste Frau, die mir je begegnet ist, das steht fest«, sagte er ohne eine Spur von Verlegenheit, als wäre ich nicht Zeugin ihres Gesprächs, als wären sie die beiden einzigen in diesem Raum. »Du hast keine Ahnung, wie eifersüchtig im Trakt alle auf mich sind. Die wissen, daß jeden Samstag die schönste und erotischste Frau der Welt auf mich wartet.«
    »Ich hab auch extra deine Lieblingsunterwäsche angezogen«, sagte sie zu ihm, und ich hielt die Luft an, als ich sah, wie seine Hand unter ihren kurzen Rock kroch und ein Lachen in seinen kalten blauen Augen aufblitzte.
    »Sie müssen gut auf ihre kleine Schwester aufpassen«, sagte er, ohne mich anzusehen, »bis ich hier raus bin.«

    Ich erwiderte nichts, versuchte wegzusehen, bemerkte ähnliches Grapschen und Tatschen an den anderen Tischen.
    »Sie müssen dafür sorgen, daß sie richtig ißt, viel an die frische Luft kommt und genug Schlaf kriegt.«
    »Du solltest dir über mich wirklich keine Sorgen machen«, sagte Jo Lynn. »Du hast doch hier drinnen mit diesen ganzen Perversen weiß Gott schon Sorgen genug.«
    Er lachte. »Ja, hier drinnen ist so ziemlich alles vertreten, Schwule, Päderasten, Nekrophile, Sodomiten. Hier gibt’s sogar Kerle, die trinken ihren eigenen Urin und fressen ihre eigene Scheiße. Einer schmiert sich das Zeug mit Vorliebe über den ganzen Körper. Der widerlichste Kerl, der mir je untergekommen ist. Ich halt mich so weit wie möglich von ihm fern, das kann ich euch sagen.«
    »Colin ist jetzt im R-Trakt«, bemerkte Jo Lynn mit einem kurzen Blick in meine Richtung, »aber als er hier ankam, haben sie ihn zuerst in den Q-Trakt gesteckt, wo sie die Irren alle unterbringen. Da haben ihn aber seine Anwälte sehr schnell rausgeholt.«
    »Ja, das war zum Fürchten«, stimmte Colin kopfschüttelnd zu. Seine Hand kroch tiefer unter den Rock meiner Schwester. »Hier lassen sie mich im großen und ganzen in Ruhe.«
    »Colin läßt sie in dem Glauben, daß er schuldig ist«, erklärte meine Schwester.
    »Sehr clever«, murmelte ich.
    »Ein Vorteil im Todestrakt ist, daß jeder seine eigene Zelle hat.«
    »Sie sind wirklich ein Glückspilz«, sagte ich.
    Langsam drehte Colin den Kopf zu mir und sah mich mit stechendem Blick an. »Ihre Schwester hat mir schon erzählt, daß Sie einen Hang zum Sarkasmus haben. Ich verstehe jetzt, was sie meint.«
    Ich schwieg, überrascht und bestürzt, daß meine Schwester tatsächlich mit diesem Menschen über mich gesprochen hatte.
    »Sie können

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