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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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bist du?«
    »Ist schon wieder gut«, sagte Michelle. Sie wand sich aus meinen Armen und nahm alle Ruhe und Gelassenheit mit. Augenblicklich kehrte mein Zorn zurück. Was fiel Larry ein, ausgerechnet jetzt herumzuschreien? Warum mußten wir heute abend ausgehen, wo ich doch nur den einen Wunsch hatte, zu Hause zu bleiben? Wo war Sara? Was hatte sie diesmal wieder angestellt?
    »Was ist denn?« fragte ich statt einer Begrüßung, als Larry an der Tür zu Michelles Zimmer erschien. Er hatte sich ein großes beigefarbenes Badetuch um die Hüften gewickelt und war dabei, sich mit einem zweiten Handtuch das feuchte Haar zu trocknen.
    »Gar nichts.« Seine tiefe Stimme füllte den Raum zwischen uns. »Hat Michelle dir erzählt, daß ich unter hundert geblieben bin?«
    »Ja.«
    »Das war vielleicht eine Hitze da draußen, sag ich dir«, fuhr er enthusiastisch fort und folgte mir wie ein reichlich groß geratenes Hündchen in unser Schlafzimmer. »Aber ich weiß auch nicht, dieses schwüle Wetter war anscheinend gerade das Richtige für mich. Ich hab mich jedenfalls konzentriert wie noch nie. Na ja, ganz gleich, was es war, es hat funktioniert. Ich hab nur achtundneunzig Schläge gebraucht. Und ich wär noch besser gewesen, wenn ich nicht bei den letzten beiden Löchern Mist gebaut hätte.« Er lachte. »Tja, so ist das wohl beim Golf. Wenn meine Oma Flügel hätt, wär sie’n Engel. Wie war dein Tag?«
    »Zum Kotzen. Müssen wir heute abend ausgehen?«
    Er sah auf seine Uhr. »Aber ja. Wir müssen in ungefähr zehn Minuten los.«

    »In zehn Minuten? Ich muß noch duschen und Michelle was zu essen machen.«
    »Du hast keine Zeit mehr zu duschen, und Michelle kann sich eine Pizza bestellen.«
    »Ohne Dusche geh ich nicht aus dem Haus«, erklärte ich störrisch. »Und was ist mit Sara?«
    »Du kannst nach dem Essen ein langes Bad nehmen. Und wieso fragst du nach Sara?«
    »Weißt du, wo sie ist?«
    »Sollte ich?«
    »Na ja, irgend jemand sollte es wissen«, gab ich gereizt zurück und war mir bewußt, daß ich unfair war. »Sie ist anscheinend heute überhaupt nicht in der Schule erschienen.«
    Larrys Heiterkeit trübte sich sofort. »Hast du den Anrufbeantworter abgehört? Vielleicht hat sie sich ja gemeldet«, sagte er.
    Ich ging um das Bett herum zu dem weißen Telefon auf dem großen Nachttisch und tippte schnell die Nummer, um meinen Anrufbeantworter abzuhören. Nur eine Nachricht wartete auf mich. Sie war von Jo Lynn. »Ruf mich an«, lautete sie.
    Meine Schwester anzurufen war nun wirklich das letzte, wonach mir zumute war. Heute war ja der Tag, an dem die Schöne mit dem Tier zusammentreffen sollte, und ich verspürte nicht das geringste Verlangen, mir den Verlauf dieser Zusammenkunft haarklein schildern zu lassen. Ich wußte sowieso schon mehr, als ich wirklich wissen wollte: Das Zusammentreffen sollte in der Strafanstalt von Palm Beach County in der Gun Club Road stattfinden, sobald das Gericht sich für das Wochenende vertagt hatte. Romeo und Julia würden durch eine Glaswand voneinander getrennt sein und sich über Telefon unterhalten. Genau wie im Kino, dachte ich und schüttelte den Kopf. Ich schloß die Augen und wollte mir nicht vorstellen, wie meine Schwester und Colin Friendly ihre Hände auf dem Glas, das zwischen ihnen stand, aneinanderdrückten.
    »Und?« fragte Larry.
    »Kein Anruf«, sagte ich. Es war einfach so.

    »Mach dich jetzt lieber fertig«, meinte er, schon halb angekleidet.
    »Wir können doch nicht ausgehen, ohne zu wissen, wo sie ist.«
    »Doch, können wir.« Er schlüpfte in ein blauweiß gestreiftes Hemd. »Wir gehen einfach. Ich laß mir doch von dieser Göre nicht den Abend verderben. Wir knöpfen sie uns vor, wenn wir zurückkommen.«
    Er hatte recht, ich wußte es, aber zu vernünftiger Überlegung war ich im Moment nicht fähig. »Aber wir wissen doch nicht mal, wo sie ist.«
    »Selbst wenn wir es wüßten«, entgegnete Larry, »haben wir jetzt keine Zeit, uns mit ihr zu befassen. Also, mach dich einfach fertig. Das Essen ist in Jupiter, und du weißt, wie es auf den Straßen um diese Zeit zugeht.«
    »Jupiter?!«
    »Jupiter«, wiederholte er lächelnd. »Nicht auf dem Mars. Wir brauchen nur zwanzig Minuten.«
    »Dann hab ich doch noch Zeit zu duschen«, sagte ich, schon auf dem Weg ins Badezimmer. Ich schlüpfte im Gehen aus meinen Sachen und ließ sie einfach liegen, wo sie hinfielen. Genau wie Sara, dachte ich. Dann sperrte ich die Tür hinter mir ab, drehte die Dusche auf und

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