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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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wußte, wie ich hieß. Und ich auch. »Und was tut deine Frau?«
    »Sie kauft ein, trifft sich zum Mittagessen mit Bekannten, geht ins Fitneßstudio.«
    »Und kümmert sich um die Kinder«, fügte ich hinzu. »Vier, wenn ich mich nicht irre.«
    »Zwischen zwölf und neunzehn, ja. Zwei Jungen und zwei Mädchen.«
    »Da hat sie bestimmt alle Hände voll zu tun.«
    »Der Älteste studiert außerhalb. Die anderen sind den ganzen Tag in der Schule. Wir haben zwei Haushälterinnen. Du kannst mir’s glauben, Brandi ist nicht überfordert.«
    »Probleme?« fragte ich, obwohl ich es gar nicht wollte.
    »Die üblichen, denke ich.«
    »Ist das der Grund, warum du dich mit mir zum Mittagessen treffen wolltest?«
    Er lächelte einen Moment vor sich hin, während er mit einem Finger um den Rand seines Glases strich. »Nein. Wenn ich eine Therapie gewollt hätte, wär ich zu dir in die Praxis gekommen. Ich habe etwas anderes mit dir vor.«
    »Das klingt ja interessant.«
    »Ja, ich hoffe, daß du es interessant findest.«
    Der Kellner brachte unser Mittagessen und füllte unsere Gläser auf. Ein paar Minuten lang widmeten wir uns schweigend unserem Essen.
    »Also«, begann ich, von meinem zweiten Glas Wein gestärkt, »was hast du denn nun für mich geplant?«
    »Eine eigene Radiosendung«, antwortete er.
    Mir fiel die Gabel aus der Hand. Sie sprang mir vom Schoß auf den Boden. Ein vorüberkommender Kellner brachte mir sofort eine neue. »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich hab das noch nicht gründlich durchdacht«, fuhr Robert
fort. »Der Gedanke kam mir eigentlich erst, als ich dich bei Gericht traf und du mir erzählt hast, was du machst.«
    »Was hast du noch nicht gründlich durchdacht?«
    »Das Konzept. Mir schwebt so eine Art Beratungssendung vor.«
    »Du meinst wie Frasier ? Wo die Leute mit ihren Problemen anrufen können?«
    »Ich weiß nicht. Wie ich schon sagte, ich habe es noch nicht richtig durchdacht. Das ist einer der Gründe, warum ich mich mit dir treffen wollte. Ich wollte deine Ideen dazu hören.«
    »Aber ich habe überhaupt keine Rundfunkerfahrung.«
    »Du kannst reden. Du kannst beraten. Und du hast eine sehr angenehme Stimme.«
    »Aber ich habe gar nicht die Zeit. Ich habe meine Arbeit, und ich habe meine Familie.«
    »Es müßte ja keine tägliche Sendung sein. Ein- oder zweimal die Woche vielleicht. Und es müßte auch nicht abends sein wie Frasier. Wir könnten sie am Tag machen. Zum Beispiel am Mittwoch.« Er lächelte. »An deinem freien Tag.«
    »Und was müßte ich tun?«
    »Einfach du selbst sein. Fragen beantworten. Den Leuten helfen, ihre Probleme zu lösen.«
    »Warum ausgerechnet ich?«
    »Warum nicht du? Du bist eine gescheite Frau. Du bist schön. Du lebst hier am Ort. Hör mal, ich weiß, daß das sehr überraschend für dich kommt. Laß es dir doch einfach mal durch den Kopf gehen, wälz es ein bißchen hin und her, dann fällt dir sicher etwas dazu ein. Überleg dir, was für eine Art von Sendung dich interessieren könnte, mit welchem Konzept du dich wohl fühlen würdest. Ich werde mich in der Zwischenzeit einmal mit einigen unserer Produzenten unterhalten und hören, was die für Vorstellungen haben. Überleg es dir. Das ist alles, worum ich dich bitte.«
    »Gut, ich werd’s mir überlegen«, hörte ich mich sagen.
    »Wunderbar.« Er hob sein Glas. »Auf interessante Angebote«, sagte er.

10
    Der Freitag begann eigentlich ganz normal. Sara war noch im Bett, als Larry, Michelle und ich aus dem Haus gingen. Ich hatte gar nicht erst versucht, sie zu wecken. Rechtzeitig zur Schule zu kommen war schließlich ihre eigene Angelegenheit.
    Ich wußte, daß ich wegen Saras Säumigkeit mit einem Anruf der Schule zu rechnen hatte, und war deshalb nicht überrascht, als ich in der Fünfminutenpause zwischen zwei Sitzungen beim Abhören meines Anrufbeantworters hörte, daß die Schule in der Tat angerufen hatte. Ich hielt es für überflüssig, sofort zurückzurufen; man hatte mir ja, glaubte ich, nichts zu sagen, was ich nicht schon wußte. Statt dessen rief ich zu Hause an, und als sich dort niemand meldete, interpretierte ich das als Zeichen dafür, daß Sara inzwischen brav im Unterricht saß. Oder zumindest auf dem Weg zur Schule war. Oder immer noch schlief wie ein Murmeltier. Ich brachte sie zum Schweigen, wie man ein kleines Kind zum Schweigen bringt, und bat meinen nächsten Klienten herein. Äußerlich war ich gelassen, innerlich tobte ich.
    Ich war aber nicht die einzige. Sämtliche

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